Loading…
Du befindest dich hier: Home | Events

Events | 14.08.2020

Wir sind hin & weg …

… vom gleichnamigen Theaterfestival in Litschau. Eine Reportage.

Bild jcPuOAEM.jpeg
(© Stephan Mussil)

Ein herrliches Bild am Herrensee. Badegäste und Theaterliebhaber*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen – oder eben badende Kulturfans und am Ufer chillende Künstler*innen bevölkern das von prachtvollen Bäumen umgebene Areal. Die Karte mit den Spielorten ist ein Muss. Und es ist auch nicht von Nachteil, wenn man sich pfadfindermäßig gut orientieren kann, um zwischen Locations wie Zetschenwiese und Kulturbahnhof navigieren zu können.

Jedem einzelnen Tag des „Hin & Weg“-Festivals in Litschau wohnt ein besonderer Zauber inne; Intendant Zeno Stanek hat Corona-Maßnahmen bedingt ursprünglich Geplantes umgekrempelt und – mit Co-Leiter*innen Katharina Stemberger und Ernst Molden – ein zweiwöchiges Programm inklusive Workshops auf die Beine gestellt, bei dem die Entscheidung gerade zwischen parallel stattfindenden Events gar schwer fällt. Noch bis zum 16. August läuft das Festival.

Bild IMG_9032.JPG
Lisa Fartner in "Effi Briest" (© Viktória Kery-Erdélyi)

Wir inhalierten dort den ersten Sonntag, also den 9. August. Seit einer Woche lief da schon das bemerkenswerte Isolationsexperiment „Bitte nicht berühren!“ , das die junge Gruppe „kollekTief“ auf die Beine stellte. „Wir hatten diesen Sommer für das Festival in Litschau ein Stück geplant, das von sehr viel Nähe lebt“, erzählte Max Reinhardt-Seminar-Student AntoN Widauer im Vorfeld. „Nun mussten wir uns um 180 Grad drehen und zeigen ,Bitte nicht berühren‘, ein Stück, das Nähe negiert und Leben in Isolation vorführt“, sagte Alina Schaller („Vorstadtweiber“). „Wir zeigen die neue Realität ins Extrem getrieben. Eine Realität, die für uns alle gilt, und für uns, als junge, in unserem Schaffen stark beeinträchtigte Künstler*innen besonders“, ergänzte AntoN Widauer.

Fünf Container wurden nach Litschau gekarrt, jeweils eine Wand ist schaufenstergleich aus Glas. Darin leben, schlafen, essen, arbeiten, schauspielen und musizieren die Künstler*innen Alina Schaller, AntoN Widauer, Anna Marboe, Felix Kammerer und Tilman Tupy – einzeln, jeweils in eine Box „gesperrt“.

kollekTief: "Bitte nicht berühren!"
Bild bbcGzonP.jpeg

Vor dem Einzug (c) Stephan Mussil

Bild tutQn4dQ.jpeg

(c) Stephan Mussil

Bild b5yUGoWg.jpeg

(c) Stephan Mussil

Bild NttT6i7Q.jpeg

(c) Stephan Mussil

Bild lTNNjdKw.jpeg

(c) Stephan Mussil

Das allein ist schon so spektakulär, dass das Quintett schnell internationale Presse anlockt. Die Container-Bewohner*innen haben kein Handy, keinen Laptop dabei; miteinander kommunizieren sie via Mikrofon, mit den Gästen mit kleinen, an die Glasfront geklebten Zetteln und pantomimisch. „Wie geht es dir?“, fragen wir Alina Schaller. Sie macht eine Wellenbewegung und lächelt. Die Hochs und Tiefs kommen und gehen, sehr bewegt habe die Gruppe Anna Marboes Auszug am Freitag davor, verrät Alinas Mutter, Birgit Schaller. Das verarbeiten die vier Künstler*innen bei ihrer Nachmittagsperformance am besagten Sonntag. Alina Schaller singt „All By Myself“, Kafka wird zitiert, ein Text über die Traurigkeit berührt intensiv. Außergewöhnlich toll: „A Sky Full Of Stars“ (Coldplay) – dargebracht von Tilman Tuppy am Cello und AntoN Widauer (Gesang).

Bild IMG_9031.JPG
Genial: "Du Teufel" mit Julia Posch, Leonie Berner und Joshua Bader (© Viktória Kery-Erdélyi)

Das Publikum mischt sich neu, nur kurze Zeit später findet ebendort auf dem Parkplatz eine szenische Lesung statt, bei der die Container-Bewohner*innen ebenfalls mitwirken. Man vergisst die pralle Sonne, ein kalter Schauer nach dem anderen jagt über den Rücken, als Julia Posch, Leonie Berner und Joshua Bader mit Martin Kroissenbrunners Text „Du Teufel“ in eine Exorzisten-Familie („Was tust du, um eine höhere Macht anzuerkennen?“) katapultieren. Spannung pur.

„Effi Briest“ haben wir uns als nächsten Programmpunkt ausgesucht. Auf der blühenden Zetschenwiese sitzt man auf Liegestühlen im Schatten, Lisa Fartner gibt dort Theodor Fontanes berühmte Ehebrecherin. Meisterhaft spannt sie in einem Monolog – Regie und Textfassung von Falco Blome – den Bogen von der zunächst unglücklich verheirateten jungen Frau („… nichts während der Reise, wie ein Schneemann war er“) über die nach Liebe Suchende bis hin zur gebrochenen Mutter.

Bild IMG_9039.JPG
Lisa Fartner als "Effi Briest" (© Viktória Kery-Erdélyi)

Die Lacher für die Impro-Truppe „English Lovers“ hallen weit, ein bisserl muss man sie ausblenden, um der szenischen Lesung „Die Liste der letzten Dinge“ von Theresia Walser folgen zu können. Cornelia Köndgen, Karin Yoko Jochum und Susanne Altschul lassen sich nicht aus dem Konzept bringen und ziehen das auf – mit Babyelefanten-Abstand – Baumstümpfen sitzende Publikum mit präzise gesetzten Pointen in ihren Bann, so dass man glatt den Sonnenuntergang verpasst.

Es bleibt Zeit für ein Gläschen Wein und ein bisschen Käse, ehe Ernst Molden die Bühne im Herrenseetheater betritt, um Natalie Ofenböck einen verbalen roten Teppich auszurollen.

Mit Nino aus Wien und PauT kommt die Singer-Songwriterin ins Rampenlicht. Natalie Ofenböck verzichtet auf große Gesten und Tanz, sie verschmilzt lieber mit ihrer Poesie und ihrem Mikrofon. Das überzeugt und berührt – wir wachen noch am nächsten Morgen mit dem Ohrwurm „Kuckucksuhr und Klapotetz“ auf …

Tickets und Infos zum Programm:
hinundweg.jetzt

 

Bild 7363D770-459C-4DE1-9838-3312A9C4C2A9.JPG