Fashion | 08.09.2018
Elmsfeuer
Niederösterreicherin: Sophie, du hast deinem 2013 gegründeten Taschenlabel den Namen „Elmsfeuer“ gegeben. Was bedeutet das?
Sophie Annerl: Ein Elmsfeuer ist eine Lichterscheinung: blaue Blitze, welche zum Beispiel durch elektrische Ladungen bei einem Unwetter an den Mastspitzen eines Segelschiffes entstehen. Benannt ist es nach einem Bischof, den Seeleute früher bei Sturm in Not anriefen. Da ich einen ausgesprochenen Hang zum Meer und zur Seefahrt hege, war es mir wichtig, mit dem Labelnamen „Elmsfeuer“ eine Verbindung dazu zu schaffen. Wären meine Talente anders gelagert, wäre ich vielleicht Kapitän oder Pirat geworden (lacht).
Auf deiner Website zitierst du aus Giovanni Pico della Mirandolas „Oratio de hominis dignitate“, seine Rede über die Würde des Menschen. Inwieweit lässt sich hier der Bogen vom italienischen Philosophen der Renaissance zu deiner Handwerkskunst spannen?
Ich habe mir Mirandolas Worte sehr zu Herzen genommen, da wir unser eigener Schöpfer und Bildner sind. Dazu braucht es eine Freiheit, die man sich oft erst hart erarbeiten muss. Meine handwerkliche Tätigkeit hat mir geholfen, nicht nur diese Freiheit, sondern auch einen würdevollen Umgang mit mir selbst zu finden. Für mich war es eine grandiose Entdeckung, Fehler machen zu können und von keinem anderen Menschen, außer mir selbst, beurteilt zu werden. Zuvor war mir nicht klar, dass ein Fehler im Grunde nichts anderes ist, als die Möglichkeit einer Richtungsänderung. Erst durch meine Selbstständigkeit konnte ich mir einen Raum für diese Erfahrungen schaffen. Wenn ich nähe und eine Naht missglückt, ein neues Muster nichts wird oder ich ein schlechtes Material gewählt habe – so sind das optimale Gelegenheiten, nicht nur meine Handwerkskunst zu überprüfen, sondern auch mein Denken. Es bringt also nichts, mir deswegen an die Gurgel zu gehen! (lacht) Diese Naht ist also missglückt, dann mache ich sie anders. Basta. Ich fürchte, ich bin eine ausgesprochen philosophische Taschnerin. Aber bitte lass‘ dich nicht beirren, es geht noch immer um ganz normale, solide gefertigte Handtaschen.
Warum gerade Taschen?
Es hat mich immer schon zu einer handwerklichen Tätigkeit gezogen, nur wusste ich lange nicht, zu welcher. Erst mit 28 Jahren bin ich durch ein Versehen auf die Taschen gekommen. In meiner sehr kleinen Wohnung in Wien hatte ich damals meine Tasche – eine sehr teure, edle Lederhandtasche – auf den Herd abgestellt und dabei versehentlich mit dem Riemen die Platte aufgedreht. Ich habe mich wahnsinnig über die verschmorte Handtasche geärgert und überlegt, wie ich den Schaden gutmachen kann. Das war es dann. Ich wusste, Taschen sind es, die ich entwerfen und nähen möchte.
"Ich fürchte, ich bin eine ausgesprochen philosophische
Taschnerin."
- Sophie Annerl
Mit deinen reizenden „Fascinators“ nimmst du Anleihe bei alter englischer Modisten-Tradition. Hast du generell einen Faible für britischen Lifestyle?
Ja, sehr. Backsteingebäude, Kriminalromane, Regenwetter, Tee und trockene Kekse machen mich glücklich. Mir liegt auch die Mentalität der Briten, die höfliche Reserviertheit bis hin zu ihrer Exzentrik. In meiner Werkstatt hängt eine Landkarte von Großbritannien, auf der ich die Orte suche, die gerade in den Büchern, die ich lese, vorkommen. In Oxford habe ich auch zum ersten Mal Fascinators gesehen und mir damals gedacht, das muss doch aus Leder auch gehen. Und ja, das tut es!
Info: Die Elmsfeuer Taschenmanufaktur ist bei der „Großeltern Erlebniswerkstatt“ in Pöchlarn am 8. und 9. September 2018 im Schlosspark Pöchlarn.
Am 9. September um 14 Uhr findet eine Trachtenmodenschau der Firma Preßl statt.
Alle Infos: www.elmsfeuer.at