Fashion | 24.02.2023
Schöner Neustart für Omas Pelz
Irgendetwas zog ihn an der Liska-Auslage magisch an. Gut, er hatte in Graz ein Modekolleg absolviert, aber mit Pelzen hatte er zuvor nichts am Hut. Nach Wien war Patrick Adam gezogen, um Französisch und Komparatistik zu studieren. Eines Sommertages spazierte er selbstbewusst in das Geschäft und erstaunte mit seinem Angebot: „Ich hab‘ gesagt, ich hab‘ Zeit in den Ferien und möchte sehr gerne die Auslage neu gestalten“, erinnert sich Patrick Adam lachend. Man ließ ihn nicht nur, wenig später lud man ihn ein, eine Kürschnerlehre zu machen. Nein, habe er sofort geantwortet, die Sache dann noch einmal überdacht – und schließlich brach er tatsächlich sein Studium ab, um mit der Lehre zu beginnen.
Gute zwei Jahre später kam Georgia Richter aus Linz ins Unternehmen; sie hatte in München Modedesign studiert. So tauchten die beiden – ein bisschen zeitversetzt – Seite an Seite in die Welt der Pelze ein, beschäftigten sich mit dem Material und informierten sich über die Zucht der Tiere. 2014 wurden sie ein Paar und 2016 fanden sie einen gemeinsamen Weg, um ihre Wertschätzung für Pelze und ihr Bewusstsein für Naturschutz zu vereinen. „Wir haben uns mit Refurried selbstständig gemacht, um ausschließlich altes Material neu zu verarbeiten“, erklärt Patrick Adam. „Wir haben viele Kundinnen und Kunden, die nie einen neuen Pelzmantel kaufen würden, aber von der Mama oder der Oma einen geerbt bekommen haben“, ergänzt er. „Aus diesen Modellen etwas Neues zu machen halten wir für einen respektvollen Umgang mit Tieren. Die Pelze wegzuwerfen wäre respektlos“, unterstreicht Georgia Adam-Richter.
Über die Vorteile von Pelz und die Pluspunkte gegenüber synthetischen Produkten wissen beide Bescheid; Patrick hat auch noch den Meister gemacht und unterrichtet an der Berufsschule, Georgia hat ebenso eine Kürschnerlehre absolviert. „Pelz ist ein faszinierendes Material: Es wärmt, ohne dass man schwitzt, jedes Loch kann repariert werden, und bei guter Lagerung kann es problemlos 60, 70 Jahre oder noch länger verwendet werden“, beschreibt Georgia.
Den Startschuss wagte das Paar – die beiden sind mittlerweile auch Eltern eines Vierjährigen – in Tulln an der Donau. Durch Zufall seien sie dorthin gekommen; mittlerweile feiern sie ihren neuen Lebensmittelpunkt aus Überzeugung, wo sie viele Freundschaften geknüpft haben und wohin die Klientel aus Wien und ganz Niederösterreich pilgert. Im kommenden Frühjahr zieht Refurried noch ein Stück weiter ins Zentrum, auch dort wird das Paar unter einem Dach Werkstatt und Leben verknüpfen. „Das ist praktisch für mich, weil ich oft gerne in der Nacht arbeite“, sagt Patrick Adam.
Was passiert nun bei Refurried? Im Regelfall kommen Kundinnen und Kunden mit einem alten Stück, das die beiden zunächst unter die Lupe nehmen. Pelz verzeihe vieles: Mottenlöcher können repariert werden, Schimmel kann behandelt werden. Kann das Material weiterverwendet werden, gibt es eine facettenreiche Palette an Möglichkeiten für eine Neugeburt: Diese reichen von Möbelstücken – das Duo kooperiert etwa mit einer Tischlerin in Tulln – über Parkas und Gilets bis hin zu Rucksäcken und sogar Adventskränzen, die zuletzt der Renner waren. Auch sammelten sich im Laufe der Jahre einige Modelle bei den beiden an, so dass man – mit Terminvereinbarung – auch „pelzlos“ im Geschäft gustieren kann, um sich aus einem alten Teil etwas Neues kreieren zu lassen. Kompromisslose Ausnahmen stellen Modelle aus dem Fell von gefleckten Großkatzen dar: „Das darf weder als neues Material, noch umgearbeitet verkauft werden; die Tiere sind nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen geschützt. Das ist gut so, sonst hätten wir gar keine mehr“, betont Georgia.
Plastikfrei. Werden nun beispielsweise alte Persianer oder Nerze zu neuem Leben erweckt, werden sie häufig mit anderen Materialien kombiniert: „Dabei verwenden wir absolut kein Plastik“, betont das Paar, das sich zudem um möglichst nahe Bezugsquellen für Futterstoffe und Verschlüsse bemüht.
Seit 2021 ist Sophie Weinlinger aus Stockerau quasi die Dritte im Bunde. Die 22-Jährige hat bereits den Damenkleidermacherin-Meister und die Ausbildung zum Herrenschneidermeister in der Tasche, bei Refurried ist sie nun im Finale ihrer Kürschnerlehre. „Ich bin ein sehr haptischer Mensch, dieses Material ist ganz besonders. Ich mag die Langlebigkeit und dass du aus einem fertigen Stück etwas ganz Neues machen kannst. Du bist damit viel flexibler als mit Stoff“, schwärmt sie. Es kommt durchaus vor, dass Menschen die Augen verdrehen, wenn sie hören, dass sie Kürschnerin ist. „Aber wenn ich erkläre, dass wir alte Pelze upcyceln und nicht wertvolle Dinge wegschmeißen, kommt genau die gegenteilige Reaktion: ,Ah wie cool, ich hab‘ auch noch einen Pelz von der Oma zu Hause‘.“
Und wenn ein bisschen Oma in einem umgearbeiteten Teil nahe am Herzen weitergetragen werden kann, erlebt das Refurried-Trio mitunter bewegende Momente. „Die Menschen verbinden mit den Pelzen oft ganz persönliche Geschichten. Erst vor Weihnachten hat eine Kundin das neue Modell angezogen und geweint“, erzählt Georgia Adam-Richter.