Lifestyle | 06.11.2015
Ofenkünstler
Gerold Wucherers Öfen tanzen gern mal aus der Form. Mal wagt sich die vordere Kante eines apfelgrünen Ofens vorwitzig weit nach vorne, mal ist ein an sich strenger Ofenkubus bei genauem Hinsehen dann doch leicht aus dem Winkel geraten. Dann führt Wucherer einen Kachelofen als „Ofenblase“ aus, die durch das Ofenrohr in den Wohnraum geblubbert zu sein scheint. So hat sich die blaue „Ofenwalze“ wie selbstverständlich in einem Waldviertler Bauernhaus niedergelassen – und wurde im Frühjahr 2015 in Frankfurt am Main mit dem europaweit ausgelobten Ofendesign-Preis „Ofenflamme“ ausgezeichnet. Wie kam Gerold Wucherer auf die Idee, Löss als Baumaterial für seine Öfen zu verwenden?
„Löss liegt vor meiner Haustür. Nach dem Umzug in die Kamptaler Region begann ich schon bald, mich für dieses Material zu interessieren, indem ich etliche Lössproben aus den unterschiedlichen Lösslagen entnahm und diese dann brannte.“ Und was sind die speziellen Vorteile eines Lössofens?
„Löss als Ausgangsmaterial kann in der unmittelbaren Umgebung gewonnen werden. Lange Lieferwege werden somit vermieden. Die Umsetzung, also der Kachelbau, erfolgt direkt vor Ort im eigenen Atelier. Die Eigenschaften der Lösskachel entsprechen jenen einer Tonkachel.“
Wucherers Heizkunst
Der gebürtige Tiroler Gerold Wucherer, der seit zwanzig Jahren das Ofen-Atelier „Heizkunst“ betreibt, kann und will seinen künstlerischen Background nicht verleugnen. Wucherer, ausgebildet in Produktgestaltung und Keramik an der Wiener Universität für Angewandte Kunst, sieht Öfen und Heizobjekte als Skulpturen an, die ihm eine Auseinandersetzung mit der vorhandenen Raumsituation erlauben. „Mich interessiert die Beziehung des Heizobjektes mit dem es umgebenden Raum und vor allem die Frage, welches Objekt für die jeweiligen Kunden und den jeweiligen Raum am besten geeignet ist“, sagt Wucherer.
In seinem Atelier in Straß im Straßertale, idyllisch am Fuße eines Weinberges gelegen, setzt sich Wucherer zeichnerisch und mit Ton modellierend lange mit neuen Projekten auseinander. Ein wenig
umständlich, könnte man angesichts schneller computergestützter Entwurfsmöglichkeiten meinen. Wucherer schätzt aber vor allem die haptische Unmittelbarkeit eines Tonmodells – so kann eine neue Idee quasi „in der Hand“ wachsen und sich verändern. Durch die intensive Auseinandersetzung mit jedem Ofenprojekt und den Wünschen der Kunden entstehen Unikate: Kein „Heizkunst“-Ofen gleicht dem anderen. Auch die Außenhaut des Ofens, die Keramikkacheln, stellt Wucherer in seinem Atelier selbst her. Der gesamte Kachelbauprozess – vom Auswalzen des Tones zu einer Platte über das Anbringen von Stegen, den Trocknungsprozess, das Schleifen, das Rohbrennen bis zum Glasurbrennen – dauert zwei bis drei Monate. Ein individueller „Heizkunst“-Ofen braucht also Zeit.
Gerold Wucherer mag‘s aber auch geradlinig und puristisch. Dies beweist er beispielsweise mit seiner „zero“-Ofenserie, die in limitierter Auflage zu haben ist. Hier sind auch alle Kacheln handgefertigt, formal kann aus drei Produktlinien gewählt werden. Während die „zero uno“- und „zero dos“-Linien unterschiedliche Farbwahlmöglichkeiten erlauben, konzentriert sich das jüngste Kind der Reihe ganz auf seine Materialität.
zero löss
Der Kachelofen „zero löss“ wurde von Wucherer gerade eben der Öffentlichkeit vorgestellt. Wucherer begann sich nach seiner Übersiedlung nach Straß für Löss zu interessieren: urgeschichtliche Ablagerungen, die in seiner unmittelbaren Wohnumgebung – dem Kamptal und dem Wagram – ein nicht nur für den Weinbau bestimmendes Element darstellen. Nach langen Experimenten mit dem ehemals viel verwendeten Baumaterial Löss konnte Wucherer die ersten Lösskacheln und dann den ersten Lössofen präsentieren. „Löss ist zunächst widerspenstig, aber wenn man um seine Eigenheiten weiß und diese aufnimmt, eignet er sich wunderbar zum Kachelbau“, erklärt Wucherer. Belohnt wurden die Mühen mit sanften Rot- und Brauntönen, die sich nach der jeweiligen Entnahmestelle des Lösses ergeben. Ist so ein Lösskachelofen auch leistbar? „Er ist mit anderen Kachelöfen vergleichbar, nur mit dem Unterschied, dass es emotional mit dem Material Löss eine lange traditionelle Verbundenheit gibt.“
Der erste Löss-Ofen entstammt der Langenloiser Riede „Käferberg“, die Weinkenner als eine der besten Weißweinlagen Österreichs schätzen. Ein guter Boden, nicht nur für Wein!
Gerold Wucherer:
„Ein Lösskachelofen ist leicht und platzsparend: Er eignet sich besonders für Wohnungen bzw. für Niedrigenergie- und Passivhäuser. Durch sein ausgeklügeltes Modulsystem ist er in wenigen Stunden ohne Staub und Schmutz aufgebaut. So kann er bei einem Wohnungswechsel in die neue Wohnung ganz einfach mitgenommen werden.“
Infos: www.heizkunst.at