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Lifestyle | 10.04.2019 Entgeltliche Einschaltung

Der Lockruf der Technik

Mit Klischees hat man an der Höheren Technischen Lehranstalt in St. Pölten wenig am Hut. Es besuchen sie mittlerweile 114 Mädchen, Tendenz steigend.

Vom Duft und der Faszination des Materials erzählt Claudia Alessandro. Weit gefehlt, wer sie in einer Blumenhandlung vermutet; sie steht inmitten einer Werkstatt, umgeben von jungen Menschen, die sie unterrichtet – und sie schwärmt tatsächlich von Metall. Ohne viel Aufsehen pfeift die Pädagogin an der Höheren Technischen Lehranstalt St. Pölten auf Klischees: Sie ist Mama eines kleinen Sohnes, trägt schönes Make-up – und brennt dafür, im blauen Arbeitsmantel ihr Wissen weiterzugeben.
Mit ebenso viel Enthusiasmus will sie junge Frauen animieren, sich in technische Berufe zu wagen und spricht dabei Direktor Martin Pfeffel aus dem Herzen. „Wir haben derzeit 1.700 Schülerinnen und Schüler; schön dass davon bereits 114 Mädchen sind“, sagt Pfeffel, der sich über die steigende Tendenz freut. „In den skandinavischen Ländern liegt der Frauenanteil im technischen Bereich in der Industrie bereits bei 30 Prozent, davon sind wir in Österreich noch weit entfernt. Gleichzeitig haben wir einen Fachkräftemangel.“
Claudia Alessandro hatte sich in ihrer Jugend die Möglichkeit, eine HTL zu besuchen, nicht gerade aufgedrängt, erzählt sie mit einem Hauch Wehmut. Umso stolzer ist sie, dass sie als einziges Mädchen an der Berufsschule ihr Ding durchgezogen hat und Werkzeugmaschineurin wurde; später machte sie auch die Schlossermeisterin. „Ich habe als einzige Frau in einem Betrieb mit 120 Männern an großen Bohr- und Fräsmaschinen gearbeitet. Ja, ich musste mich anfangs profilieren, aber von da an war ich akzeptiert“, schildert Alessandro.

Dass sie eine andere Schulwahl getroffen hätte, wünschte sich später ihre Kollegin Eva Weigl. „Mein Papa wollte mich für die HTL motivieren, weil er sah, wie gut ich mit Computern konnte; aber ich habe mich damals leider nicht getraut“, gibt die Informatikerin zu. Erst nach der Gymnasium-Matura schlägt sie ihren Herzensweg ein, „an der Technischen Uni hätte mir eine HTL-Matura sehr geholfen.“ Sie studiert Medizinische Informatik, ihre Interessen führen sie in Richtung medizinische Bildbearbeitung am AKH, wo sie mit Ärzten und Radiologen zusammenarbeitet. Für ihren Ph.D. forscht Eva Weigl zur Entwicklung des Babygehirns im Mutterleib.
Sie wechselt später in die Industrie, vor gut einem Jahr kommt sie als Informatiklehrerin an die HTL St. Pölten. Ihr Fach verspricht viel Spannendes: vom Entwickeln von Android-Apps bis hin zu Augmented und Virtual Reality (computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung, etwa mit entsprechenden Brillen).

Einblicke für Interessierte. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis ist einer der Grundpfeiler der Schule. „Unsere Lehrerinnen und Lehrer haben zuvor in der Industrie gearbeitet“, sagt Direktor Pfeffel. Die Kombination zwischen Theorie und Werkstatt wird auch im Unterricht groß geschrieben – und zwar in allen zehn Schulformen, die dort angeboten werden.
Ein weiteres Klischee, das Martin Pfeffel nur noch zum Schmunzeln bringt: „Es ist ein völliger Irrglaube, dass Mädchen sich bei der Arbeit nicht schmutzig machen wollen. In unserer Schmiede ist es heiß und rußig, die Arbeit kann körperlich anstrengend sein. Das ist eine der Lieblingsabteilungen unserer Schülerinnen.“

Wer sich ein Bild vor Ort machen will, hat dazu viele Möglichkeiten: Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Schulstufen können für jeweils einen Schnuppertag mit ihrer Schule tauschen. „Das ist keine Show“, betont Direktor Pfeffel. Die Interessierten werden zwar speziell betreut, nehmen aber in der Tat am Regelunterricht teil.
Für Jüngere, etwa für die 6. und 7. Schulstufe, bietet sich die Sommer-HTL in St. Pölten an, die in der letzten Ferienwoche abwechslungsreiche Workshops verspricht.
Info: www.htlstp.ac.at