Lifestyle | 13.10.2020
Genussvolle Neugier
Wenn es der Wettergott Ende September und Anfang Oktober nicht mit dem Regen übertreibt, darf sich der vinophile Gaumen auf einen sehr guten Jahrgang freuen, avisiert Dieter Faltl, Winzer und Direktor der Obst- und Weinbauschule in Krems. „Es war ein schöner Sommer mit warmen Tagen und kühlen Nächten, zum Glück gab es nur leichten Hagel. Wir haben gutes Traubenmaterial“, beschreibt Faltl. Eine vorsichtige Prognose für den Weißwein: Fruchtig spritzige Weine mit einer schönen Säure werden entstehen.
NIEDERÖSTERREICHERIN: Der Lockdown war bitter: Die Gastronomie musste schließen, das traf auch die Winzer hart. Wie entwickelte sich die Situation über den Sommer?
Dieter Faltl: Zum Glück ganz gut: Die Leute haben sich sehr gefreut, wieder rauszukommen. Das wirkte sich positiv auf den Verkauf ab Hof aus, gleichzeitig öffneten auch wieder mehr Buschenschenken. Dadurch, dass viele den Sommer hier verbracht haben, wird der Wein aus Österreich wieder mehr geschätzt. Wanderer und Radfahrer haben Weinbaubetriebe besucht und dabei nicht nur das eine oder andere Achterl getrunken, sondern sind oft am nächsten Tag mit dem Auto wiedergekommen und haben auch für zu Hause eingekauft.
Es heißt, die Konsumentinnen und Konsumenten sind heute wissbegieriger. Stimmen Sie dem zu?
Auf jeden Fall. Die Leute interessieren sich für den Hof, wie unsere Flächen bewirtschaftet werden, ob man biologische Produkte hat bzw. wie man den „grünen Gedanken“ sonst lebt. Sie möchten mit dem Winzer ins Gespräch kommen. Sehr gut angenommen werden sowohl Veranstaltungen mit Heurigenschmankerln mit Produkten aus der Region als auch geführte Weinmenüs in exquisitem Rahmen.
Auch wir selbst haben auf unserem Heltihof einen neuen Weinkeller gebaut, in dem wir – jetzt auch coronakonform – unter dem Namen „Der Weinfaltl‘er“ an einzelnen Tagen und mit limitierter Personenanzahl mehrgängige Menüs mit Wein anbieten. Zuletzt haben wir mit einem Spitzenkoch zusammengearbeitet, so ergeben sich gute Synergieeffekte.
Eine Zeit lang war der Orange Wine in aller Munde, gibt es wieder einen Trend?
Der Orange Wine interessiert die Menschen weiterhin, stark im Kommen ist jetzt wieder der Verjus (er wird aus unreifen Trauben gewonnen, Anm.). Wir kennen ihn eigentlich schon lange, er war sozusagen ein Vorgänger des Zitronensaftes. Dieser sehr saure Traubensaft wird nicht nur für Getränke, sondern auch beim Kochen – beispielsweise statt Essig – verwendet.
Sie sind Direktor der Wein- und Obstbauschule Krems, die laufend mit neuer Infrastruktur ausgestattet wird. Was hat sich dort in jüngster Vergangenheit getan?
Wir haben einen der modernsten Kellerbetriebe Österreichs; das ist essenziell, 90 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler haben zu Hause einen eigenen Betrieb, die Eltern wollen, dass ihre Kinder Neues lernen. Vor Kurzem haben wir einen topmodernen Traubenvollernter angeschafft; gelehrt wird bei uns natürlich die händische Lese genauso wie die mit der Maschine. Dass man nun auch den Führerschein für den Vollernter machen kann, ist viel wert.
Erst im Vorjahr haben wir außerdem unsere neue Landtechnikhalle mit Tischlerei, Schweißerei und Mechanikwerkstätte in Betrieb genommen; ob nun beispielsweise später Holz- oder Reparaturarbeiten am Hof anfallen, die Schülerinnen und Schüler sollen bei uns alles von der Pike auf lernen können.
Wie ist das Zahlenverhältnis Schülerinnen und Schüler?
Es wird mehr, aber die Fachschule besuchen im Schnitt vorerst circa 20 Prozent Mädchen. Die Vino-HAK – das ist eine Kooperation mit der Handelsakademie – teilt sich fifty-fifty auf und im Studiengang Weinmanagement haben wir mehr junge Frauen als Männer. Die Absolventinnen sind oft diejenigen, die dann Verkauf, Werbung und Marketing am Hof schupfen.
Welche Lehren haben Sie aus dem Lockdown gezogen?
Wir haben sehr viel dazugelernt. Allein schon, dass man sogar einen Rebschnittkurs online anbieten kann. Überzeugt haben mich die Online-Verkostungen: Die Gäste bekommen die Weine nach Hause geschickt, der Winzer kommentiert die Degustation online. Das funktioniert sehr gut.
An der Schule haben wir jede Klasse mit einer Webcam ausgestattet, um zu ermöglichen, dass der Unterricht auch von zu Hause aus verfolgt bzw. auch aufgezeichnet werden kann. Gerade Weinbaufamilien können davon profitieren, wo die Kinder teilweise gerade zur Lesezeit unabkömmlich sind. Ebenso öffnen sich nun neue Möglichkeiten für Kooperationen etwa mit Universitäten: Beispielsweise ein Vortrag auf der BOKU über biologischen Weinanbau ist natürlich auch für unsere Schülerinnen und Schüler interessant.