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Lifestyle | 25.02.2022

Your Time Matters

Christina Feirer ist Digital Detoxerin aus Leidenschaft, mit „Likest du noch oder lebst du schon“ hat sie über den achtsamen Umgang mit dem Smartphone ihr erstes Buch vorgelegt.

„Stell dir vor, es ist 6:45 Uhr. (...) Ganz automatisch tastet deine Hand nach dem kleinen rechteckigen Teil, das gleich auf Augenhöhe am Nachttisch liegt: nach dem Smartphone. Ein Klick auf dem Home Button genügt, um zu sehen, dass bereits unzählige Instagram-, Facebook-, Twitter- und WhatsApp-Benachrichtigungen auf dich warten. Die Vorschau gibt dir eine Ausschau, welche Menschen an dich gedacht haben ... Und dann ist es bereits 7:15 Uhr. Wohin ist die Zeit verflogen?“ Diese Passage aus dem Buch beschreibt ganz gut, wie zeit- und energieraubend die Welt des Swipens, Tippens, Likens und Postens sein kann. Weil Christina Feirer aber fest daran glaubt, dass unsere Lebenszeit wertvoll ist, begann sie, ihren persönlichen Gebrauch zu hinterfragen und schrieb darüber mit viel Know-how, Empathie und Witz auf, wie wir die Beziehung zu unserem schlauen Freund auf unsere ganz persönlichen Bedürfnisse abstimmen können, ohne dabei die digitalen Medien zu verteufeln. Ganz im Gegenteil: Es geht darum, dass Online- und Offlinezeit in Balance sind und bleiben.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Christina, du zitierst Alexander Markowetz‘ Buch „Digitaler Burnout“. Dort wurde erhoben, dass die tägliche Nutzung des Smartphones bei zweieinhalb Stunden liegt, was bedeutet, dass wir insgesamt acht Jahre unseres Lebens auf ein Gerät von der Größe einer Zigarettenschachtel starren ...
Christina Feirer: Genau, da diese Studie aber bereits einige Jahre alt ist, gehe ich davon aus, dass diese Zahl sogar gestiegen ist! Jeder von uns hat aber in den Einstellungen am Smartphone die Möglichkeit, seine persönliche Bildschirmzeit abzufragen. Das Smartphone ist ja nur mehr zu einem Bruchteil das, für was es im Kern steht. Es ist ein ständiger Begleiter, unsere Verbindung zur Welt und vor allem: sehr viel Unterhaltung. Es geht darum, hinzuschauen, ob es dir damit gut geht oder ob es dich zu sehr ablenkt, ob ein Überkonsum besteht. Mein Wunsch wäre es, dass wir, bevor es uns nicht mehr gut geht, die Frage stellen, wie sinnvoll ist es und wie können wir eine digitale Balance herstellen?

Sind wir bereits so Entertainment-­verliebt?  
Ja, zu einem gewissen Grad schon. Wir sind gewöhnt, uns entertainen zu lassen, es muss ständig etwas passieren. Man kann es ja beobachten, sei es am Gehweg, an der Bushaltestelle, an der Supermarktkasse oder im Restaurant – viele haben die Augen auf ihr Smartphone gerichtet. Wir lassen keine Langeweile mehr zu, sind es nicht mehr gewöhnt, einmal nichts zu tun. Denken wir nur daran, dass immer mehr Hotels oder Ressorts Schweigeseminare anbieten, einen stillen Rückzug. Daran sieht man, dass wir diese Entschleunigung aktiv wieder einfordern müssen. Hinterfragen wir uns doch selbst, wenn wir zum Beispiel von der Arbeit heimkommen und uns auf die Couch setzen. Wie leicht gelingt es uns, einfach nur mal dazusitzen, zu beobachten oder zu hinterfragen, wie es uns gerade geht – oder sind wir verleitet, gleich das Smartphone für ein Entertainmentprogramm zur Hand zu nehmen?

Du sprichst in Bezug auf soziale Medien auch den Urinstinkt des Dazu­gehörens, das Bedürfnis einer Gruppe anzugehören an. Widerspricht das nicht dem heute postulierten Recht auf Individualismus?
Das ist eine sehr spannende Sichtweise, die habe ich noch nicht hinterfragt. In dem Zusammenhang ist gemeint, dass wir in Urzeiten einer Gruppe beiwohnen mussten, damit wir überleben. Daher ist vermutlich dieses Grundbedürfnis in uns verankert, einer Gruppe anzugehören, und dass uns innerhalb dieser Gruppe die anderen mögen. Für mich schließt aber die Individualität eine Gruppenzugehörigkeit nicht aus.

 

Christina Feirer ist MSc. Hypnosecoach und Medita­tionsleiterin. Auch sie befindet sich auf dem Weg, ihr Leben aktiv und ihren Träumen entsprechend zu gestalten. Sie hat selbst erfahren, wie die Onlinewelt genau davon ablenken kann. Deshalb weckt sie durch ihre Arbeit und ihren Podcast „Your Time Matters: Digital Detox“ Begeisterung für einen bewussten Smartphone Umgang.

Weitere Infos finden Sie auf www.christinafeirer.com.

Warum sind wir so abhängig von Likes, sogar von Menschen, die wir gar nicht persönlich kennen?
Einerseits der eben erwähnte Urinstinkt, in der Gruppe gemocht zu werden. Heute suggeriert dieses Like: Jemand denkt an mich, du wirst anerkannt, Menschen schenken dir Aufmerksamkeit. Mein Gehirn hat dabei das Gefühl, ich gehöre dazu, das Belohnungszentrum wird aktiviert, schüttet einen Hormonmix wie das Dopamin aus. Diese kontinuierlichen kleinen Glücksräusche fühlen sich gut an und motivieren dich, diesen Prozess immer und immer wieder zu wiederholen.

Die Lockdowns haben unser Kaufverhalten verändert. Diverse Apps locken mit daily Deals und großen Rabatten. Laut dem Philosophen Richard David Precht sind wir zu einer Vorteilsgesellschaft geworden ...
Ja, definitiv, denn im Internet ist ja alles vergleichbar. Angefangen von Produkten bis hin zu Dienstleistungen kann ich alles vergleichen. Das hat einerseits etwas Positives, kann aber auch Stress auslösen, weil wir ständig das Gefühl haben, es muss noch besser und noch billiger gehen. Auch wenn ich bereits gekauft habe, kann der Zweifel, ob es auch der optimale Kauf war, Stress auslösen.

Welche Nebenwirkungen haben digitale Medien?
Vorausschicken will ich, dass da viel Positives ist und ich nichts pauschal verteufeln möchte. Eine destruktive Nebenwirkung kann sein, eine innere Unzufriedenheit wahrzunehmen, weil ich mich hin- und hergerissen fühle, ich ständig das Gefühl habe, woanders würde es vielleicht besser sein, als dort, wo ich gerade physisch bin. Dieses „fear of missing out“, die Angst, ich könnte ja etwas verpassen, macht Stress. Oder auch, wenn ständige Push-Nachrichten blinken und ich in einem permanenten Reaktionsmodus bin. Davon lassen wir uns ja gerne unterbrechen und auch wenn ich mal kurz eine Pause hätte, zücke ich das Handy und schau drauf. Pausen kommen in unserem Leben kaum mehr vor, obwohl sie wichtig wären, um unseren Geist wieder zu regenerieren, weil so viele Inputs auf uns einfließen. Eine extrem wichtige Nebenwirkung ist in den sozialen Medien der Vergleich mit Personen, die wir nicht kennen. Auch wenn wir wissen, dass wir da nur einen gefilterten Ausschnitt sehen und es nicht das wahre Leben ist, macht es trotzdem etwas mit uns, wenn man ehrlich hineinspürt. Es geht darum, die Wertschätzung für sich selbst zu empfinden, die man verdient hätte – und nicht der Sein-Versuch von jemand, der man gar nicht ist.

Bringt die Zukunft ein andauerndes Verfügbarsein in der digitalen Welt?
Das ist möglich! Achtsamkeit ist vielleicht ein Modewort, nennen wir es besser Entschleunigung. Achtsamkeit ist nicht, sich eine Woche im Jahr in ein Schweigeseminar zu setzen, Achtsamkeit kann ich jeden Tag leben. Dazu kann das Smartphone einen großen Schritt beitragen, weil ich es täglich lebe. Ich wünsche mir, dass diese Awarness immer mehr Einzug hält und Anklang findet. Gleichzeitig ist es natürlich fordernd, weil die Jugend mit dem Smartphone aufwächst, da gilt es Aufklärungsarbeit zu leisten. Dass sie erfahren dürfen, wie es ist, abzuschalten, auf sich zu hören, ganz im Moment und bei sich zu sein.

Du bist auch Hypnosecoach. Welche Klienten wenden sich wegen digitaler Überforderung an dich?
Vorab: Ich bin keine Therapeutin! Zu mir kommen zum Persönlichkeitscoaching einerseits Klienten, die an ihrem Selbstwert arbeiten wollen. Sie schätzen sich selbst zu wenig, glauben nicht an sich, vergleichen sich mit den Personen in den digitalen Medien. Die andere Gruppe sind jene, die beruflich viel zu tun haben und sich schwertun, sich zu fokussieren, weil sie ständig abgelenkt sind. In den Workshops für Firmen geht es darum, wie man effektiver arbeiten kann. Das Ziel ist, produktiv zu sein und am Ende des Tages noch Energie zu haben, denn in der Arbeit permanent abgelenkt zu sein, kostet extrem viel Energie ...

 

Lifestyle | 25.02.2022

4 Digital Detox Hacks

um eine selbstbestimmte Veränderung mit digitalen Medien zu erlangen:

Push-Nachrichten am Handy deaktivieren

Nicht benötigte Apps vom Smartphone löschen

In den Apps Zeitlimits festlegen und zu bestimmten Uhrzeiten sperren

Das Smartphone „weniger sichtbar“ ablegen

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Erschienen am 24. Jänner 2022 bei Kremayr & Scheriau, ISBN 978-3-218-01306-2, € 22,–