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People | 14.06.2019

Dream Thiem

Karin und Wolfgang Thiem wurden 20 Jahre jung das erste Mal Eltern: Tennis-Ass Dominic ist heute auf Platz 4 der Weltrangliste; Talent und Biss hat auch der jüngere Bruder Moritz. Der stolze Vater im Talk.

Er war immer am Tennisplatz dabei. Von Babybeinen an. Ohne dass seine Eltern eine Profikarriere für ihn geplant hätten, ist es passiert: Dominic Thiem, aufgewachsen in Lichtenwörth (Bezirk Wr. Neustadt-Land), wurde zum Tennis-Weltstar. Nicht über Nacht und das große Los ist ihm auch nicht in den Schoß gefallen … 

NIEDERÖSTERREICHERIN: Der Sohn auf Platz 4 der Weltrangliste. Wie erlebst du das?

Wolfgang Thiem: Mir wird das alles nur manchmal bewusst, wenn ich zurückdenke, wie ich zu Thomas Muster und Hermann Maier hinaufgeschaut habe, wie toll ich ein gemeinsames Bild gefunden hätte. Jetzt möchten die Kinder mit Dominic ein Foto, natürlich sind wir da stolz! Aber leider ist es auch so: Wenn du gewinnst, wirst du in den Himmel gehoben, wenn du aber verlierst, wirst du sehr schnell in den Schmutz gezogen. Wenn unser Kind kritisiert oder sogar beschimpft wurde, hat das anfangs weh getan. Im Laufe der Jahre bekommt man Routine und eine harte Haut; das Positive an den neuen Medien ist, dass alles schnell vergessen ist. Wir haben uns auch eingeschränkt, was wir überhaupt lesen. 

Hast du jemals auf negative Kommentare reagiert?

Einmal, vor Jahren. Das war ein Kommentar von einem Tennislehrer-Ausbildner, der wirklich unter die Gürtellinie ging. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen und ihn von der Freundschaftsliste gelöscht. Sonst tue ich das nicht, die warten ja nur darauf.

 

Ihr wurdet sehr jung Eltern. Wie war euer Start als Familie?

Karin und ich haben uns am Tennisplatz kennengelernt; dass wir mit 20 Eltern werden, war nicht geplant (lacht). Sie hat studiert, ich hatte nach der Matura noch keine konkrete Idee. Der Schwiegervater hatte sich seine Karriere hart erarbeitet und wollte, dass sie fertig studiert, nach Amerika geht. Für ihn war das ein Schock, dass seine einzige Tochter einen Tennislehrer heiratet. Heute verstehe ich unsere Eltern; wir hatten ja nicht einmal Jobs. Aber damals habe ich mir gedacht: Warum machen die so einen Stress? Ist doch alles easy (schmunzelt).

So easy war‘s dann doch nicht?

Naja, ich bin schon so ein Typ. Ich fühle mich nicht so schnell gestresst. Ich funktioniere unter Druck am besten, lasse mich von kritischen Stimmen nicht aus der Bahn bringen. Ich habe damals nicht so viel darüber nachgedacht, was alles sein kann. Als Dominic auf die Welt kam, haben wir Trainerstunden gegeben und sechs Clubs aufgebaut. Das war in den 1990ern eine goldene Zeit; Tennis hat geboomt.

… und Dominic war sozusagen von Babybeinen an dabei?

Die Großeltern waren berufstätig, wir hatten ihn überall mit; er ist mit einem Jahr am Platz herumgelaufen.

Wie zeichnete sich sein Talent ab?

Ich glaube, dass man für den Leistungssport geboren sein muss. Egal welchen Sport du machst, künstlich kannst du dir diese Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin nur bis zu einem gewissen Grad aneignen. Dominic konnte als Kind ewig mit einem Luftballon spielen oder mit der Fliegenklatsche Schläge simulieren. Später hat er dann an die Garagenwand bei uns gespielt – stundenlang! Das wurde uns erst nachher bewusst; alles passierte ja Schritt für Schritt, ohne dass wir je eine Profikarriere für ihn durchgeplant hätten.

War es eine bewusste Entscheidung, dass du sein Training abgegeben hast?

1997 änderte sich viel für mich. Es begann an einem verregneten Tag, ich musste Stunden absagen und dachte mir plötzlich: Ich sehe mich nicht die nächsten 30 Jahre in den Clubs Trainerstunden geben. Wenn ich dann auch weniger verdient habe: Ich bin als Trainer in den Leistungssport gegangen. So habe ich Günter Bresnik kennengelernt, der später Dominics Trainer wurde. Meine Qualität war damals sicher schlechter, Dominic war trotzdem bei den Besten dabei (lacht). Es war wichtig, sein Training abzugeben. Ich hatte zu viel Angst, dass sich sonst unser Verhältnis irgendwie abreibt. Sportliche Erfolge sind toll; wenn du dabei eine schlechte Beziehung zu deinem Kind kriegst, wiegt es das nie auf.

 

Zunächst habt ihr viel gemeinsam trainiert, selbst im Urlaub – wieso?

Das war ein Riesenspaß mit Dominic! Ich hab‘ da schon einen Vogel (lacht); bis heute bin ich oft auch im Leistungszentrum von früh bis spät, weil ich es sehr gerne mache (er trainiert in der „Tennis Südstadt“ derzeit rund 40 junge Talente, Anm.). Mein Beruf war mir immer wichtig, aber wir waren dabei viel zusammen. Als Dominic in die Schule gegangen ist, habe ich ihn abgeholt und den Nachmittag mit ihm am Tennisplatz verbracht. Mit Moritz war es später genauso.

Du und deine Frau, wart ihr da immer auf einer Linie?

Als Karin noch Tennis gespielt hat, wollte sie nie verlieren; sie war immer extrem ehrgeizig. Das hat sich bei ihr aufs Leben übertragen. Wir haben es beide nie als Belastung empfunden, am Samstag um neun Uhr zu Turnieren zu fahren und das Wochenende in Tennishallen zu verbringen. Für uns war klar: Wenn unsere Söhne all das wollen, unterstützen wir sie zu hundert Prozent.

Moritz ist selbst gut unterwegs; wie geht er mit dem Druck um, dass sein Bruder zu den Weltbesten zählt?

Das ist teilweise unangenehm; er wird oft verglichen. Aber er hat einen unglaublichen Ehrgeiz entwickelt und spielt jetzt auch bewusst einen anderen Schläger als sein Bruder. Das Gute ist, dass die beiden ein tolles Verhältnis haben. Das erleichtert die Geschichte.

 

Hat Dominic je ans Aufhören gedacht?

Nein. Wann denkt man daran? Wenn man keine Erfolge hat. Aber gerade im „heiklen“ Alter ging es bei ihm stetig nach oben: Bei der U14 war er Nummer 20 in Europa, bei der U16 unter den ersten zehn und bei der U18 war er Nummer zwei der Weltrangliste. 

Profisport kann gnadenlos sein; sorgt ihr euch um ihn?

Nein. Wenn Dominic morgen aufhört, hat er dennoch finanziell ausgesorgt. In dieser Situation sind nur ex­trem wenige. Aber wenn es ihm je ums Geld gegangen wäre, wäre er nie so weit gekommen. Es geht ihm bis heute um sportliche Erfolge. Warum sonst spielen noch ein Nadal oder ein Federer? Wir haben es als Eltern immer als eine unserer Hauptaufgaben gesehen, sein Geld so zu verwalten, dass er nachhaltig ausgesorgt hat. Wir machen auch keine Blödheiten, ich wollte nie einen Ferrari. Dominic könnte mit Privatfliegern fliegen, aber das hält er für rausgeschmissenes Geld. Er kauft sich sein Ticket und fliegt normal.

Er gilt als bodenständig  und emotional ausgeglichen. Woher kommt das?

Das holst du dir in der Familie, wenn‘s dort passt. Im Leistungssport kann schon die Scheidung der Eltern erfolgslimitierend sein. Wir haben immer darauf geachtet, dass ihn Menschen umgeben, denen er vertrauen kann. Ein innerer Kreis sozusagen.

Wie bist du als Vater?

Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis, aber ich habe auch meine Prinzipien. Einer der Hauptgründe, warum es mir wichtig war, dass meine Kinder Sport machen, war: Ich wollte nicht samstags nicht schlafen können, weil ich nicht weiß, ob sie mit 17 angesoffen mit dem Auto herumfahren. Das war für mich ein No-Go. Es muss ja nicht Sport sein, aber ich bin davon überzeugt, dass eine ehrliche Leidenschaft, das kann auch ein Instrument sein, extrem wichtig ist.

Dominic hat sich nach mehr als zehn Jahren mit Günter Bresnik kürzlich für einen neuen Trainer entschieden. Wie geht ihr damit um?

Das ist eine schwierige Situation. Er weiß, was er dem Günter verdankt: Er hat ihn mit viel Engagement unter die besten zehn der Welt geführt. Aber Dominic fand, dass es an der Zeit war, für seine Entwicklung neue Stimmen zu hören. Ich stehe dabei in der Mitte; Günter und ich sind Freunde und führen gemeinsam die Tennisakademie.Wir versuchen die Themen zu trennen.

Dominics Freundin Kristina Mladenovic ist auch Profi-Tennisspielerin. Gehen sich auch noch andere Themen aus bzw. wo gibt‘s einen Ausgleich?

Dass seine Freundin im Sport ist, ist ein Vorteil; so ist Verständnis da. Dominic ist sein Freundeskreis extrem wichtig. Er und meine Frau engagieren sich außerdem für Umwelt und Tiere; Dominic ist Pate eines Ameisenbären in Schönbrunn, unterstützt ein WWF-See­adlerprojekt, das Tierschutzvolksbegehren und „4ocean“.

Was wünschst du deinen Söhnen?

Dass sie bleiben, wie sie sind. Ich bin nicht für ihre Erfolge dankbar, sondern dafür, dass sie gesund sind und das machen können, was sie wollen.