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People | 19.02.2020

An seiner Seite

Wenn US-Regisseur Terrence Malick dreht, wollen die Weltstars dabei sein. Auf wahren österreichischen Ereignissen basiert sein neuer Film „Ein verborgenes Leben“, Valerie Pachner spielt eine stille Heldin.

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Vielfach ausgezeichnet. Während „Ein verborgenes Leben“ im Kino anläuft, ist Valerie Pachner einmal mehr für den Österreichischen Filmpreis nominiert (© www.olafkroenke.com)

Als der Abspann kommt, glaubt man es nicht: 173 Minuten. Wenn sich Fani und Franz in ihren Briefen austauschen, ist rundherum alles vergessen. Da ist die Kraft ihrer Worte, die Kraft ihrer Liebe und die bildgewaltige Umsetzung des Regisseurs Terrence Malick.
Es ist eine ganz besondere österreichische Biografie, der sich der preisgekrönte US-Filmemacher annahm. „Ein verborgenes Leben“ erzählt die Geschichte des oberösterreichischen Bauern Franz Jägerstätter. Er – gespielt von August Diehl – verweigert aus tiefer Überzeugung den Nazis den Kriegsdienst und wird dafür zum Tode verurteilt. Ein liebender Ehemann, ein dreifacher Vater, ein stiller Held … Die gebürtige Oberösterreicherin Valerie Pachner – parallel zum Kinostart war sie für den Österreichischen Filmpreis in Grafenegg als „Beste weibliche Hauptrolle“ ("Der Boden unter den Füßen") nominiert – verkörpert seine Ehefrau. Wir trafen die Schauspielerin zum Interview.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Ihr habt an Originalschauplätzen gedreht, sogar in Franz Jägerstätters Haus in St. Radegund. Wie hast du das erlebt?
Valerie Pachner: Das war sehr besonders und intensiv. Ich habe auch seine Töchter kennengelernt, da wurde mir noch mehr bewusst, wie wichtig es ist, diese Geschichte zu erzählen.

Wie bist du in das Leben von Franziska Jägerstätter eingetaucht?
Das Wichtigste waren die Briefe der beiden. Das war auch das erste, das mir Terry (Terrence Malick, Anm.) geschickt hat. Sie haben mich sehr berührt. Da erfährt man viel über ihre Liebe, ihren Glauben, ihren Alltag; ihre Sprache ist einfach und gleichzeitig so klar. Man spürt ihre Aufrichtigkeit; das ist fast wie eine Besonnenheit, mit der sie mit der Situation umgehen.
Sehr wichtig war für mich auch die Dokumentation „Die Witwe des Helden“. Im Interview darin ist Franziska 96. Nachdem, was sie alles durchgemacht hat, habe ich erwartet, eine gebrochene, alte Frau zu sehen. Aber: Sie war gebrechlich, nicht gebrochen. Sie strahlte. Das war für mich wesentlich für die Figur. Irgendetwas an ihr hat mir den Glauben ans Gute offenbart.
Und dann war da noch das Körperliche: Wir lernten für den Film sensen, Kühe melken, Schafe scheren …

Alles neue Erfahrungen für dich?
Meine Großeltern waren Bauern, das bäuerliche Umfeld ist mir nicht unbekannt, aber hier sind wir ja in den 1940er-Jahren, mit ganz anderen Gerätschaften. Diese „Körperlichkeit“ zu kriegen, war wichtig. Sowohl die Entscheidung als auch ihr Glaube, ihre Liebe kommen nicht vom Kopf, sondern aus dem Körper, aus ihrem Sein und der Verbundenheit mit der Natur, mit der Erde. All das ergibt ein selbstverständliches Gefühl und Gewissen; da ist es logisch, dass man nicht tötet.

Franziska bleibt nicht nur allein mit den Töchtern und der Arbeit am Bauernhof, sie wird wegen ihres Mannes, der den Kriegsdienst verweigert, ausgegrenzt. Mit welchen Gedanken und Emotionen bist du nach den Dreharbeiten „heimgegangen“?
Das war teilweise schwer. Das Interessante an der Figur ist auch ihre Haltung: Selbst wenn Franziska angefeindet wird, reagiert sie darauf nicht, sie nimmt die Situation an. Obwohl sie durch so viel geht und ich beim Dreh durch so viele Emotionen musste, hat mich die Figur gestärkt. Lola in „Der Boden unter den Füßen“ geht auch durch Schlimmes, aber sie hat keinen Halt in sich. Franziska hingegen schon. An ihr konnte ich mich festhalten. Sie hat eine große Stärke, ein großes Herz.

Kannst du nachvollziehen, dass Liebe so groß sein kann, dass man die Entscheidung akzeptiert, wenn der Mann seine Prinzipien über alles stellt, selbst wenn er dafür die Familie verlässt?
Ich bin mir ganz sicher, dass Franziska die Ansicht ihres Mannes geteilt hatte, dass Hitlers Regime nicht das Richtige ist; meistens teilen Partner in den wesentlichen Dingen ihre Meinung. Als sie dann damit konfrontiert ist, dass sie ihn verlieren wird, gibt es natürlich ein Sträuben, eine instinktive Abwehr. Aber das Faszinierende ist, dass sie irgendwann versteht, dass sie die eigenen Bedürfnisse hinter dem, was wichtig ist, stellen kann. Das zu begreifen, hat mir extrem viel Kraft gegeben. Franziska ist nicht die devote Frau an der Seite des Mannes, es war auch für sie eine Entscheidung, den Überlebensinstinkt unterzuordnen.

Ein verborgenes Leben
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Bewegend. Um das Richtige zu tun, bringt das liebende Paar – Valerie Pachner und August Diehl – das größte Opfer. Kinostart für „Ein verborgenes Leben“ ist am 31. Jänner.

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(c) 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation / Filmladen

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(c) 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation / Filmladen

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(c) 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation / Filmladen

Einmal heißt es im Film: „Du kannst die Welt nicht retten, die Welt ist stärker“ – wie siehst du das? Kann ein Einzelner etwas verändern?
Bei Franz stimmte ja, was alle gesagt haben: Du wirst in Vergessenheit geraten, es wird niemanden scheren. Das war eine Wahrheit für mehrere Jahrzehnte. Er hat den Krieg nicht abgewendet und lange wusste niemand von ihm. Trotzdem glaube ich, dass ein Mensch die Welt verändern kann. Es ist nur eben keine Regel, die man immer anwenden kann. Was mir an dieser Geschichte so gefällt: Hier geht es nicht um jemanden, der eine Revolution anführt, der andere überzeugen will. Er ist kein Intellektueller und er handelt nicht aus Eitelkeit, sondern aus einem tiefen Gefühl – und das ist das, wozu jeder in der Lage ist. Um das zu spüren, muss man mit sich gut verbunden sein. Die beiden waren es, sie waren auch miteinander, mit der Familie, mit der Welt verbunden. So eine Entscheidung kommt auch aus einer gewissen Stille, die trugen beide in sich. Das hält einen davon ab, auf diesen Zug des Faschismus – aber das kann jede Art von Zug sein – aufzuspringen.

Vor deiner schauspielerischen Karriere hast du internationale Entwicklung studiert. Warum?
Ich war nach der Schule ein Jahr in Honduras. Das war keine Entwicklungshilfe, sondern tatsächlich ein Austausch von Menschen, die in sozialen Projekten arbeiteten. Die Organisation wollte den Austausch unter jungen Menschen fördern, damit Intoleranz und Unverständnis gegenüber anderen Kulturen nicht passiert. In diesem Jahr habe ich viel über ungerechte Mechanismen in der Welt mitgekriegt und ich hatte das Gefühl, ich muss etwas tun. Damals war das Studium „Internationale Entwicklung“ genau das Richtige. Aber es zog mich auch zum Schauspiel. Irgendwann dachte ich: Damit ich‘s nicht bereue, es nicht versucht zu haben, probiere ich die Aufnahmeprüfung (am Max Reinhardt Seminar, Anm.). Dann wurde ich genommen und ich bin da hin – und a nimmer weg (lacht).

Geblieben ist, dass deine Rollen viel Tiefe haben. Passiert das ganz bewusst?
Ich suche in jeder Figur etwas, warum ich es wichtig finde, ihre Geschichte zu erzählen. Es kann auch eine kleine Rolle sein, auch in einem eigentlich nicht feministisch ausgerichteten Film. Es muss auch nicht immer eine starke Frau sein. Es gibt ja alle möglichen Frauen und alle haben das Recht, ihren Platz zu haben und zu finden. Ich will mich als Schauspielerin nicht beschränken. Wenn ich das Drehbuch lese, schaue ich, ob da etwas ist, das mich interessiert. Wie ich mich entscheide, ist sowieso immer intuitiv. Ich habe überhaupt keine Strategie (lacht).

Privates findet man über dich kaum. Das hingegen scheint eine sehr bewusste Entscheidung zu sein …
Genau. Ich habe ja auch keinen Instagram-Account. Ich bin da aber nicht dogmatisch, ich finde es total o.k. Nur für mich will ich‘s einfach nicht.

Weltstars schwärmen von ihm, war das Drehen mit Terrence Malick auch für dich außergewöhnlich?
Ja, das habe ich so noch nie erlebt. Wir hatten sehr viele Freiheiten, er gibt einem die Möglichkeit, den Charakter und die Geschichte zu erforschen. Ich konnte Ideen einbringen, es gefiel ihm auch Improvisation, das war schon einzigartig. Die ganze Atmosphäre war im besten Sinne sehr kollaborativ. Jeder hat sein Ego hinten angestellt, jeder hat der Geschichte zugearbeitet. Terry hat natürlich die Kontrolle über alles, aber er ist gleichzeitig fähig, sie ein Stück weit abzugeben, sodass jeder ermutigt ist,  selbst etwas beizutragen.

Hat dich Franziska verändert?
Ich kann natürlich nie das erleben, was die Figur erlebt hat. Gott sei Dank (klopft auf den Tisch, Anm.)! Aber die Annäherung an sie bringt einen in diese Sphäre: Diese Erfahrung, dem zu folgen, was man für richtig hält, auch wenn es gegen alles ist, was gerade ist, hat mir ungeheuer viel Kraft gegeben. Ebenso die Begegnung mit Terrence Malick, der auch kompromisslos seinen Weg geht und künstlerisch seiner Vision folgt. Da ist nun ein Gefühl von: Ich kann dem folgen, wie ich mein Leben und meinen Beruf leben will. Diese Arbeit gab mir Mut, meiner Intuition zu folgen, denn das ist eigentlich der einzige Weg.