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People | 06.11.2020

Auf mehreren Stühlen

Als ihr Debütroman „Chucks“ verfilmt wird, ist Cornelia Travnicek erst 28. Nun ist die Niederösterreicherin mit „Feenstaub“ für den Österreichischen Buchpreis nominiert. Ihr fesselndes Werk ist aber nicht ihr einziges Baby.

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Die Neugier auf das geschriebene Wort trieb sie an, schon früh lesen zu lernen. Sieben Bücher waren es dann, die Cornelia Travnicek wöchentlich aus der Bibliothek heimschleppte; mit zwölf las sie bereits Hesse und Bachmann. Ohne Buch in der Hand war sie kaum anzutreffen, „man musste fast aufpassen, dass ich nicht gegen einen Laternenpfahl laufe“, lacht die heute 33-Jährige.
Wenige Wochen vor der Geburt ihres ersten Babys ereilt die Autorin kürzlich die freudige Nachricht: Ihr neuer Roman „Feenstaub“ – eine bewegende, wortgewaltige und fesselnde Geschichte um eine junge Diebesbande – ist für den Österreichischen Buchpreis nominiert. Wie alles anfing, erzählte sie uns in der Nähe ihres Zuhauses, im charmanten Bistro „Bio am Platz“ in Tulln.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Deine Mutter ist Krankenschwester, dein Vater seit vielen Jahren selbstständig in der IT-Branche. Dass du Informatik studiert hast, war vermutlich kein Zufall …
Cornelia Travnicek: Genau. Wir haben immer einen Computer gehabt, aber er war keine heilige Maschine. Ich durfte ihn angreifen und kannte keine Berührungsängste, so wurde ich ein Native.

Wie hast du zu schreiben begonnen?
Ich habe gelesen und gelesen und mir irgendwann gedacht: Das will ich auch können. Ich hab‘ zunächst Gedichte und Kurzgeschichten  geschrieben und sehr früh begonnen, an Wettbewerben und Schreibwerkstätten teilzunehmen. Es entwickelte sich immer weiter, so wie es auch andere Hobbys tun: Man schaut sich das an, steckt mal die Zehen ins Wasser, dann wird es immer mehr – und jetzt schreibe ich seit 20 Jahren.

Wolltest du schon als Schülerin Autorin werden?
Mir war gar nicht bewusst, dass das ein Vollzeitberuf sein kann (lacht). Ich hab‘ immer verschiedene Interessen gehabt; ich war zwar ein Bücherwurm, war aber auch reiten, hab‘ Judo gemacht mich mit Technik und Naturwissenschaften beschäftigt. Dann habe ich gesagt: Ich will auf die HTL, weil schreiben kann ich auch allein (lacht). Ich habe einfach abgewogen, was schwieriger ist, es allein zu lernen.

Neben dem Informatikstudium hast du dich für Sinologie entschieden. Wieso?
Mir ist die zweite Fremdsprache durch meinen Ausbildungsweg unterschlagen worden. Ich wollte eine Sprache studieren, aber nicht eine, die andere schon viele Jahre an der Schule hatten. Ich hab‘ Kung Fu-Filme gemocht und mich auch für chinesische Philosophie interessiert; so kam ich auf Sinologie. Das war nicht allein ein Sprachstudium, wir hatten Politik und Recht, Wirtschaft und Geschichte – das war sehr bereichernd. Das Studium ermöglicht einen Wechsel in der Perspektive auf die Welt.

Wovon handelte deine Masterarbeit?
Ich habe mich mit chinesischer Literatur beschäftigt, im Speziellen mit Wang Xiaobo, einem interessanten Autor, der leider in den 1990er schon mit 47 gestorben ist. Er war beliebt unter Studentinnen und Studenten, so hat er eine ganze Generation beeinflusst. Macht und Ohnmacht ist ein großes Thema bei ihm und Sexualität in Machtverhältnissen.

Du brennst ebenso für deinen Job im Forschungszentrum VRVis. Womit beschäftigt ihr euch dort?
Wir machen da sehr ernsthafte Dinge: von der Hochwasser- bis hin zur medizinischen Simulation. Wir hatten vor Kurzem ein großes EU-Projekt im Kulturbereich, bei dem wir uns für integrativere Lösungen für Museen interessiert haben, beispielsweise wie blinde Menschen 2D-Kunst erfahren. Aktuell arbeite ich im biomedizinischen Bereich.

 

"Dieses Buch wehrt sich klar dagegen, in irgendwelche Schubladen gesteckt zu werden."

- Cornelia Travnicek, Autorin

Du pendelst nach Wien, wieso bist du nach dem Studium wieder aufs Land?
Mir war immer klar: Ich will einen Garten und Haustiere. Heute lebe ich mit meinem Mann und zwei Katzen in einem Haus – wir haben sogar eine „Natur im Garten“-Plakette.

Wie bekommt man die?
Indem man möglichst wenig tut (lacht).

… und die Natur machen lässt?
Ja, aber es gibt natürlich Kriterien: dass man bestimmte Ecken nicht angreift, damit die Tiere dort wohnen können, dass man den Rasen nicht düngt, keine Insektizide verwendet und eine Schmetterlingswiese lässt, dass man einfach verschiedene Habitate anbietet.

Habt ihr auch Obst und Gemüse?
Ich hab‘ nicht den Anspruch, Selbstversorgerin zu sein, aber es ist schön, ein paar Sträucher, Gemüse, Kräuter und Bäume zu haben. Heute hab‘ ich einen Apfel aus dem Garten über mein Frühstück geschnitten, das ist einfach nett.

Dein Instagram-Account verrät: Du lebst vegan. Seit wann und weshalb?
Fleisch esse ich schon nicht mehr seit ich 14, 15 war; ich habe viel gelesen, viele Berichte gesehen und irgendwann ist die Erkenntnis gekommen, dass es für mich als Mitteleuropäerin, die nicht am Hungertuch nagt, es nicht notwendig ist, dass ich Fleisch esse. Wieso sollte irgendwas für mich sterben? Als ich dann 2013 in New York war, habe ich mit veganem Essen angefangen – und schnell festgestellt: Es funktioniert! Ich hab‘ einfach neu kochen gelernt.

Du warst 28, als dein Roman „Chucks“ verfilmt wurde. Wie hast du das erlebt?
Es war ein längerer Prozess, ein Film durchläuft viele Förderinstanzen, bis er realisiert werden kann, aber dann war es großartig. Noch dazu gleich der erste Roman! Das war riesig für mich. Ich hatte auch das Glück, dass sich Gerhard Ertl und Sabine Hiebler (Filmemacher-Duo, Anm.) für mich interessiert haben, dass ich am Filmset dabei sein – ich bin sogar zweimal im Film zu sehen – und auch nach Montreal zum Filmfestival mitfliegen konnte.

Dein aktuelles Werk „Feenstaub“ handelt von drei Burschen, die sich als Taschendiebe durchschlagen. Sehr spannend: Du verwebst darin Elemente aus „Peter Pan“. Wie kam es dazu?
Über Peter Pan ist zuletzt sehr viel herausgekommen, das mich interessiert hat. In Europa kennt man eher den Disney-Film; als ich das Original gelesen habe, war ich beeindruckt von der Komplexität des Stoffes und der Ambivalenz der Figuren. Das ist kein Kinderbuch im klassischen Sinn, da gibt es nicht nur Gut und Böse; alle Figuren haben auch etwas Böses, sind naiv bis dumm, neidisch bis gemein, bis mörderisch.
Nimmerland ist keine Kinderspielinsel, dort leben rivalisierende Gangs, die mit Waffen kämpfen. Peter ist ja auch nicht verliebt in Wendy, er braucht sie als Mutter. Ich hatte zunächst die Idee für ein Stück für 13-Jährige; das Theater, das es haben wollte, hat sich nicht drübergetraut, sie fanden die Drogengeschichte drinnen für das Alter zu hart.

Aber du warst weiterhin überzeugt?
Ich habe die Idee wieder mitgenommen und lang nicht gewusst, was es werden soll. Diesen Tonfall zu finden, dieses Changieren zwischen ganz harter Realität und dem märchenhaft poetischen Inselleben, das hat jahrelang gedauert. Erst als ich eben diesen Tonfall gefunden habe, hab‘ ich das Buch geschrieben; ein Buch, das sich klar dagegen wehrt, in Schubladen gesteckt zu werden. Jemand sagte einmal, das Buch würde zwischen den Stühlen sitzen. Nein. Es setzt sich auf mehrere Stühle, es macht sich auf mehreren aktiv breit und behauptet sich dort.

Wie blickst du deiner baldigen Zukunft als Mutter entgegen?
Natürlich wird es eine Herausforderung, aber ich habe einen Partner, auf den ich mich verlassen kann; es ist klar, dass wir uns gleichberechtigt um das Kind kümmern werden. Ich befürchte keinen großartigen Karriereknick.

Wie möchtet ihr euer Kind erziehen?
Man muss mal schauen, wie das Kind ist. Es gibt Kinder, die freiere Geister sind, andere brauchen eine Struktur. Es gibt mutigere und ängstlichere Kinder; bei den einen muss man aufpassen, dass sie sich nicht wehtun, die anderen vielleicht mehr anschubsen. Ich glaube, dass man in jedem Alter des Kindes zuhorchen muss und schauen, was es braucht.

 

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(© Viktória Kery-Erdélyi)

Cornelia Travnicek

… wurde 1987 geboren und wuchs als Älteste von drei Geschwistern in Traismauer auf. Nach der Matura an der HTL St. Pölten studierte sie Informatik und Sinologie (Master).  Sie schreibt Gedichte, Erzählungen, Romane („Chucks“, „Junge Hunde“, „Feenstaub“) und auch ein Kinderbuch („Zwei dabei“). Neben ihrer vielfach preisgekrönten schriftstellerischen Tätigkeit übersetzt sie aus dem Chinesischen und arbeitet in einem Forschungszentrum für Visual Computing. Sie ist verheiratet und lebt nahe Tulln.

Cornelia Travniceks aktueller Roman „Feenstaub“ ist im Picus Verlag erschienen (€ 22) und wurde für den Österreichischen Buchpreis 2020 nominiert.


Die NIEDERÖSTERREICHERIN verlost 3 x das Werk „Feenstaub“, Teilnahmeschluss ist der 18. November 2020. Hier klicken und mitspielen!