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People | 18.12.2020

Im Einsatz für die Truppe

Als Verteidigungsministerin ist Klaudia Tanner die erste Frau an der Spitze des Heeres. In der Niederösterreicherin spricht sie über die Arbeit in einer Männerdomäne, über Kritiker und neue Aufgaben des Heeres.

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(© Peter Lechner)

Militärisch unbelastet begab sie sich vor rund einem Jahr ins Gefecht – Anfang Jänner 2020  wurde die Juristin Klaudia Tanner, 50, als Bundesministerin für Landesverteidigung angelobt. Sie ist die erste Frau in diesem Job. „Das Verteidigungsressort war schon immer mein Lieblingsressort“, sagt Tanner. Selbst der eisige Wind der Kritik, der ihr in den vergangenen Monaten von vielen Seiten entgegenwehte, konnte daran nichts ändern. „Ich halte an meinem Weg fest“, richtete sie Kontrahenten stets aus.

Die Niederösterreicherin ist seit vielen Jahren für die ÖVP tätig, u. a.  gehörte sie bereits 2001 dem Kabinett von Innenminister Ernst Strasser an. Selbst politische Gegner zollen Tanners Fokussiertheit, ihrem Durchhaltevermögen und ihrer Tatkraft Respekt. Diese Eigenschaften waren es u. a. auch, die sie von 2011 bis 2020 als Direktorin des Niederösterreichischen Bauernbundes reüssieren ließen. Generell kein leichter Job, und obwohl Klaudia Tanner auch hier die erste Frau an der Spitze war, schaffte sie es, die  Organisation enorm zu stärken.  
Im NIEDERÖSTERREICHERIN-­Interview spricht Klaudia Tanner, die Mutter einer Tochter ist, über die Herausforderungen des Ministerjobs – auch angesichts von Corona-Pandemie und Terror – und über Privates.

 

NIEDERÖSTERREICHERIN: Sie sind seit knapp einem Jahr Bundesministerin für Landesverteidigung. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Klaudia Tanner: Das Verteidigungsressort war immer mein Lieblingsressort. Mein Wunsch ist es nach wie vor, nahe bei der Truppe zu sein, ich will keine Ministerin der Worte sein, sondern eine der Truppe. Als ich Anfang des Jahres zur Verteidigungsministerin angelobt wurde, wusste ich: Dieser Job wird herausfordernd, aber vor allem vielseitig und spannend. Dass das Coronavirus mein erstes Jahr bestimmt, war nicht vorherzusehen.

Wie hat die Corona-Krise Ihre Arbeit beeinflusst?
Wir standen plötzlich vor der Herausforderung, Behörden und die Länder so gut wie möglich zu unterstützen, um das Coronavirus einzudämmen. Mit unserem Bundesheer konnten wir tatkräftig dort unterstützen, wo in kurzer Zeit schnell Hilfe notwendig war. Unsere Frauen und Männer helfen österreichweit beim sogenannten Contact Tracing oder unterstützen die Gesundheitsbehörden bei Kontrollen an den Grenzübergängen. Und erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik haben wir die Milizsoldaten einberufen. Mein Team und ich haben das erste Jahr erfolgreich gemeistert.

Welche Rolle kommt dem Bundesheer in Krisenfällen wie beim Terroranschlag in der Wiener Innenstadt zu?
Das Österreichische Bundesheer hat noch in der Nacht des Anschlags den Objektschutz, das heißt den Schutz von Gebäuden wie Botschaften – insgesamt waren es 23 –,  übernommen, um die Polizei für ihre Aufgaben freizuspielen. Unsere Spezialeinsatzkräfte, das Jagdkommando, waren ebenfalls noch in der gleichen Nacht in Alarmbereitschaft, um schnell an Ort und Stelle zu sein, wenn es die Situation erfordert hätte.
Es gibt keine einzige andere Einheit, die gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber in so hoher Anzahl bereitstellen kann, wie das Bundesheer. Unsere Soldatinnen und Soldaten können binnen kürzester Zeit quer durch Österreich Einsatzbereitschaft herstellen.  

 

 

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HALTUNG. Klaudia Tanner ist gern bei den Soldatinnen und Soldaten: „Ich bin keine Ministerin der Worte, sondern eine Ministerin der Truppe.“ (© Daniel Trippolt)

Als Bundesministerien für Landesverteidigung sind Sie die Chefin einer Männerdomäne. Wie erleben Sie die tägliche Arbeit?
Ich bin gerne die erste Frau in Männerdomänen und scheue die Herausforderung nicht. Auch als Bauernbunddirektorin war ich Chefin einer von Männern dominierten Branche. Auch aus meiner Zeit im Innenministerium kenne ich Uniformen und Hierarchien.  Als Frau in einer Führungsposition ist es mir wichtig, dass die Zusammenarbeit stimmt und die Kompetenzen an richtiger Stelle vorhanden sind. Herausforderungen treiben mich an, und vielleicht ist es ja so: Wenn etwas ganz schwierig ist, braucht es manchmal eine Frau.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie als Frau weniger akzeptiert werden?
Natürlich ist eine Frau in dieser Position für viele neu. Aber ich bin bekannt für meine Durchsetzungskraft und habe mir über die Jahre ein dickes Fell zulegen müssen. Das hilft. Wenngleich ich sagen muss, dass ich gut aufgenommen wurde.

Was sind die wichtigsten Eigenschaften, um sich in einer Männerdomäne zu behaupten?
Ein gewisses Maß an Geduld, Mut und Engagement. Mutig zu sein, ist die wichtigste Eigenschaft. Eine Frau darf sich ebenso trauen, ihre Meinung zu sagen oder Ideen laut auszusprechen. Das Ziel ist aber, dass wir die Mann-Frau-Diskussion gar nicht mehr führen müssen.

Würden Sie aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen sagen, dass es die Gleichstellung von Männern und Frauen gibt?
Seit fast 100 Jahren kämpfen Frauen für Gleichberechtigung und Wertschätzung. Das Bundesheer bietet jungen Frauen interessante berufliche Perspektiven und ist Vorreiter im Bereich Gleichbehandlung. Zwischen Kameradin und Kamerad gibt es keine Unterschiede. Beide haben die gleichen Chancen und bekommen die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit. Wir haben dadurch eine echte Vorbildfunktion, das sollte eigentlich überall Standard sein.

Zuletzt standen Sie im Kreuzfeuer der Kritik der Opposition und auch der Medien. Wie gehen Sie mit den Angriffen um?
Jede Veränderung führt auch zu Widerstand, das ist mir klar. Ich freue mich, wenn die Öffentlichkeit über das Bundesheer diskutiert und seine Meinung kundtut. Das ist Teil unserer Demokratie und das soll auch so bleiben. Um Lösungen zu finden, braucht es immer einen Diskurs verschiedenster Positionen und Meinungen. Dieser sollte aber immer auf fachlicher und professioneller Ebene stattfinden.

Was sind Ihre nächsten Pläne?
Das Bundesheer muss neben der klassischen Landesverteidigung an die sicherheitspolitischen Herausforderungen und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts, wie wir sie jetzt erleben, etwa  Pandemien wie Covid-19, Cyber- oder Terrorangriffe, angepasst werden. Wir brauchen ein modernes, vielseitig einsetzbares Bundesheer. Deshalb investieren wir in den nächsten Jahren auch intensiv in die Infrastruktur. Ich werde keine Ruhe geben, bis nicht jede Nasszelle und jede Unterkunft für unsere Truppe auf Vordermann gebracht wurde.

Wie erholen Sie sich vom Job?
Meine Familie und meine Heimat geben mir den notwendigen Rückhalt, den ich brauche. Dafür bin ich sehr dankbar. Wenn ich abends in meiner Heimatgemeinde Gresten ankomme und wertvolle Zeit mit meiner Familie verbringen kann, ist das die Erholung, die ich brauche.