People | 13.01.2021
Magische Mitzi-Arbeiten
Vieles wartet auf ihre "heilenden" Hände
Als Maria Huserek Volksschülerin war, war der nachmittägliche Bastelunterricht Burschen vorbehalten. Für sie machte der Direktor eine Ausnahme. Sie erinnert sich beispielsweise an ein schönes Schachbrett, das sie dort anfertigte.
„Vielleicht wollte er den anderen zeigen, dass ein Mädchen das auch kann“, lacht die heute 61-Jährige in die Stille ihrer magischen Werkstatt. Nicht nur alte, stark in Mitleidenschaft gezogene Schaukelpferde, darunter auch historisch bemerkenswerte Modelle, entdeckt man dort. Ein marokkanisches Tischchen, dessen lockere, teilweise zerbröselte Perlmutteinsätze nur noch Klebestreifen zusammenhalten, oder etwa ein mehr als hundert Jahre alter Kinderwagen mit geflochtenem Korb warten ebenso auf ihre „heilenden“ Hände.
Als neben Maria Huserek plötzlich das Telefon läutet, geht es durch Mark und Bein. Kein Wunder, das Klingeln sollte möglichst gut in der räumlich verschachtelten Tischlerei, wo sonst die Maschinen ordentlich Lärm machen, hörbar sein. An dem Tag, als wir sie in Staatz-Kautendorf besuchen, ist es besonders ruhig. „Ihre“ beiden Männer, ihr Mann Rudolf und ihr Bruder Josef Nejdl, sind auf Montage unterwegs. Das Trio führt eine offene Erwerbsgesellschaft; alle drei sind selbstständig, Maria Huserek ist die Geschäftsführerin.
Sie hatte das Unternehmen vom Vater übernommen und praktisch alle Bereiche der Zunft von klein auf inhaliert. Ihr Fokus liegt heute – neben der Produktion von Schaukelpferden – bei „Mitzi-Arbeiten“, sagt sie. So werden witzigerweise aufwändige bzw. kleinteilige Tätigkeiten im saloppen Fachjargon genannt, die auch viel Geduld erfordern.
In Opas Fußstapfen. Das galt schon als Spezialgebiet ihres Großvaters Richard Nejdl, der nach seiner Rückkehr aus dem Krieg 1948 die Tischlerei gründete. Noch in einem Stall hat er den Grundstein für das Unternehmen gelegt; zehn Jahre darauf übernahm der Sohn und führte es in der neuen Werkstatt in eine zunächst florierende Ära mit bis zu 20 Mitarbeitern. „Große englische Bibliotheken aus Eibe und Mahagoni haben wir für Kunden aus Wien und Umgebung gebaut“, schildert Maria Huserek. Ob TV-Kasten oder Mischpulte, in den 1970ern sei alles aus Holz gebaut worden, beschreibt sie. „Heute werden viele Möbel im Handel gekauft und man muss schon froh sein, wenn sie überhaupt in Europa gearbeitet werden“, merkt sie kritisch an. Ein Steckenpferd sei in all den Jahren das Restaurieren geblieben; dabei liegt der Fokus ihres Bruders vorrangig auf Fenster, Türen sowie Tore, ihr Spezialgebiet ist das Interieur „und mein Mann kann alles und muss überall mitarbeiten“, schmunzelt sie.
Maria Huserek wuchs praktisch in der Tischlerei auf. „Ich hab‘ schon mit drei Jahren die Bretter von der Hobelmaschine weggenommen“, erzählt sie. Noch als Kind lernte sie es, eine Dreifach-Kombi Zuckermann zu bedienen, mit elf Jahren erlitt sie ihren ersten Arbeitsunfall, der sie nachhaltig prägte. Ein Finger wurde in ein hydraulisch betriebenes Gerät gequetscht, „seither kontrolliere ich alles fünffach“, sagt sie. Kollegen und Lehrlinge könnten Lieder davon singen: „Ich arbeite, wie wenn ich auch hinten Augen hätt‘.“
Vaters Entscheidung. Als Maria Huserek in die Berufsschule in Pöchlarn kam, war sie eine Exotin: das einzige Mädchen unter 600 Burschen. „Eine sehr einsame Zeit“, seufzt sie. Erst als ihr Bruder später dazukam – drei der sieben Kinder machten die Tischlerlehre – habe sie sich wohler gefühlt. Wieso sie das auf sich nahm? „Ich war motorisch geschickt und die Älteste, unser Vater wollte das so“, zuckt sie mit den Achseln. „Mein Traumjob war Handarbeitslehrerin“, gesteht sie.
Familie. 2002 übergab ihr Vater schließlich das Zepter an sie; eigentlich war sie zunächst eher so etwas wie das Back-up für den jüngeren Bruder, die Eltern gingen davon aus, dass sie bald heiraten würde. „Aber eine Tischlerin sah damals niemand als Frau; ich war Kumpel und Kollege“, beschreibt Maria Huserek, die als Mädchen gut und gern Ballett getanzt hatte. Mit 50 noch konnte sie locker einen Spagat machen, erzählt sie später.
„Umgekehrt haben mich damals Männer kaum interessiert. Wenn du dich ständig beweisen, dich ständig gegen die Männer stellen musst, kriegst du auch ein extremes Ego.“ Das war kein Charakterzug, sondern ein Prozess, den Menschen – beispielsweise ein ungehobelter Lehrling – nährten, die sie in ihrer Position, selbst als Tischlermeisterin, nicht akzeptieren wollten.
Sie selbst störte das Singledasein weniger, sagt sie, der Richtige kam dann mit über 30. Sie heiratet Rudolf Huserek und bekommt zwei Söhne (heute 22 und 24 Jahre alt). Eine richtige Auszeit gibt es selbst da nicht. „Wir hatten ein großes Wohnzimmer, man hat mir einzelne Stücke nach Hause gebracht“, lacht sie. So erledigte sie, während die Kinder etwa schliefen, gar feine Vergoldungsarbeiten; viele Techniken auf diesem Gebiet lernte sie beim namhaften Kirchenmaler Professor Josef Geissler, dem Gründer und Erbauer des Museumsdorfes Niedersulz.
Historisches Wissen. Zwei Mal – 2004 und 2014 – hat Maria Huserek schon den Krebs besiegt, „aber dass ich als Mädchen nicht Handarbeitslehrerin werden durfte, hat mich mehr getroffen“, verblüfft sie mit ihrer Antwort. Gleichsam liegt eben darin begründet, warum Kundinnen und Kunden selbst aus dem Ausland auf ihr Geschick und ästhetisches Gespür vertrauen. Mit detailreichen Feinarbeiten gelang es ihr doch schließlich, die Brücke zu ihren einstigen Träumen zu bauen. Zu beginn politierte sie den edel gearbeiteten Griff alter Gewehre von Sammlern, später brachte man ihr Kommoden, Sessel, Tabernakelschränke und vieles andere mehr zum Restaurieren. Renaissance, Barock, Rokoko, Jugendstil – Maria Huserek kann die Möbelstücke nicht nur auf den ersten Blick ihren Epochen und oftmals auch dem Hersteller zuordnen, „um sie restaurieren zu können, muss ich auch wissen, dass beispielsweise ein barocker Sessel nicht geleimt, sondern nur verkeilt wird. Die Grundvoraussetzung ist die Liebe zur Geschichte.“
Facettenreich. Um Arbeiten an und mit Holz geht es nicht allein, das veranschaulicht schon die bunte Palette an Schaukelpferden, denen sie laufend zu neuem Glanz verhilft. „Für den Kunden spielt es ja keine Rolle, ob der Kopf aus Holz oder Pappmaché hergestellt ist; da gilt: Schaukelpferd ist Schaukelpferd“, weiß sie. Handelt es sich um ein exquisites Sammlerobjekt oder ein besonderes Familienerbstück, ist vielen der Weg weder zu weit, noch die Wartezeit zu lang. „Je nachdem, worum es geht, kann es schon vorkommen, dass man zwei Jahre auf eine Restauration wartet. Aber das schreibe ich schon auf den Kostenvoranschlag drauf.“
Wer übrigens gerne ein neues, handgefertigtes Schaukelpferd aus dem Hause Nejdl & Huserek unter dem geschmückten Baum stehen haben möchte, sollte vorausschauend agieren. Schon im Oktober endete die Frist für die heurigen Weihnachtsbestellungen.
Eine der vielen zauberhaften Anekdoten, mit denen Maria Huserek stundenlang in ihren Bann zu ziehen vermag, passt außerdem schön zur Weihnachtszeit: Die vielseitige Meisterin ist nicht zuletzt dafür bekannt, Krippen, die mitunter auch sehr klein ausfallen, geschickt wiederherstellen zu können. „Vor zwei Jahren brachte mir eine Kundin das Jesuskind aus ihrer Krippe; da musste ich mit feinster Pinzette arbeiten: Ein Finger hatte ihm gefehlt.“
Nejdl & Huserek OEG
Die Kunsttischlerei in Staatz-Kautendorf hat sich auf Möbeltischlerei, Restauration und Schaukelpferde spezialisiert. Hinter dem Namen stehen neben Tischlermeisterin Maria Huserek ihr Mann Rudolf und ihr Bruder Josef Nejdl.
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