People | 19.01.2021
Ein seltener Vogel
Eine große, runde Brille, XXL-Ketten, bunte Pelze: Iris Apfel kann man einfach nicht übersehen. Dass Weniger nicht unbedingt mehr ist, hat die Grande Dame der Mode in ihren fast 100 Lebensjahren mehr als nur einmal bewiesen. Und auch, dass das Leben jenseits der 80 noch lange nicht vorbei ist: Denn zur wohl bekanntesten Stilikone Manhattans wurde Iris Apfel erst im hohen Alter. „Ich wollte nie ein alter Griesgram werden“, proklamiert die Amerikanerin in ihrer jüngst erschienenen Autobiografie. Und: „Wenn du jung bleiben willst, musst du jung denken.“
Kunstliebhaberin. Iris Apfel wurde am 29. August 1921 im New Yorker Stadtteil Queens geboren. Ihr Vater besaß ein Glasereigeschäft, ihre Mutter eine kleine Modeboutique. „Irre stylish“ sei ihre Mama immer gewesen – und ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus. Nicht zuletzt deshalb, weil sie ans College ging und Rechtswissenschaften studierte, als die meisten Frauen noch in die Küche verbannt waren. Auch Iris schlug zunächst den akademischen Weg ein und widmete sich dem Studium der Kunstgeschichte, bevor sie sich als Interiordesignerin einen Namen machte.
Zufallsfunde. Ihre außergewöhnliche Leidenschaft für Mode zeigte sich schon früh: Im Alter von zwölf Jahren zog die kleine Iris selbstständig los, um sich anlässlich der berühmten Osterparade in der Fifth Avenue ihr erstes eigenes Outfit zu kaufen. Mit 25 Dollar Taschengeld erstand sie ein Kleid, ein Paar Pumps und einen Strohhut. Sie nahm einfach, was ihr gefiel – entgegen der Direktive ihrer Mutter, nie dem ersten Kaufimpuls zu folgen: „Ich wollte mir nie eine Garderobe zusammenstellen. Ich kaufte einfach Stücke, wenn ich sie fand und sie mir leisten konnte.“ So fiel ihr auf einem Flohmarkt einmal ein historisches Messgewand aus rubinrotem Samt in die Hände, das sie derartig bezauberte, dass sie sogar Hosen und Slipper aus demselben Stoff anfertigen ließ, um das Outfit zu komplettieren.
Liebesgeschichte. Iris‘ zweite große Liebe – neben der Mode – war ihr Mann Carl, mit dem sie bis zu seinem Tod vor fünf Jahren zusammenblieb. Ihm widmete sie auch ihr Buch: „Wie lassen sich Gefühle, Freud und Leid der letzten 68 Jahre ausdrücken? Wir haben fast alles miteinander getan. Schlaf gut, mein Prinz.“ Gemeinsam gründeten die beiden 1950 eine Textilfirma und berieten unter anderem Harry Truman, Bill Clinton und Co. bei der Innenausstattung des Weißen Hauses. 2005 klingelte das Metropolitan Museum of Art an Iris Apfels Tür, um eine Ausstellung mit 80 ihrer Modeoutfits zu lancieren – und das, obwohl sie keine Modedesignerin war. „Rara Avis“ war der Name der Ausstellung, was aus dem Lateinischen übersetzt so viel bedeutet wie „seltener Vogel“. Treffender hätte die Titelwahl kaum sein können.
Geriatrisches Starlet. Auch im hohen Alter scheut die Powerfrau keine Herausforderung. 2019 schloss sie einen Modelvertrag mit IMG ab, um sich mit 97 Jahren in die Riege von Kate Moss, Chrissy Teigen und Gigi Hadid zu reihen. Es folgen zahlreiche Werbeclips, Kampagnen und der Launch einer eigenen Make-up-Kollektion. Mittlerweile wurde Apfel sogar eine eigene Barbiepuppe gewidmet – in ebenso opulenter Erscheinung versteht sich. Gewöhnlich? Das wäre ja langweilig.
ZUM NACHLESEN
Stil ist keine Frage des Alters
von Iris Apfel
midas Verlag
ISBN: 978-3-0387-6146-4
€ 25,-