People | 11.03.2021
Mit Mut & Herzenskraft
Die zierliche Politikerin, die uns gemeinsam mit ihrem engsten Team herzlich an ihrem Arbeitsplatz in der Ferstlergasse empfängt, begegnet uns mit einem offenen, charmanten Lächeln. Später beim Fotoshooting in lockerer Atmosphäre zeigt sich die Landesleiterin unkapriziös wie auch überaus professionell – und gibt uns einen Einblick in ihr berufliches Engagement. „Am leichtesten fällt dieses Engagement gemeinsam in einem engagierten Team, und dieses habe ich hier bei den Wir Niederösterreicherinnen gefunden“, sagt sie und erläutert uns die Akzente, die sie als Landesleiterin setzen will.
NIEDERÖSTERREICHERIN: Frau Berger-Grabner, was war Ihre Motivation, sich für das Amt der Landesleiterin der Wir Niederösterreicherinnen ÖVP Frauen zu entscheiden?
Berger-Grabner: Dafür gibt es viele Gründe, drei davon sind mir besonders wichtig. Erstens weiß ich als Mutter zweier Kinder, was es heißt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, und was es noch braucht, um diese Situation zu verbessern. Zweitens bringe ich mittlerweile einiges an Erfahrungen im politischen Tagesgeschäft mit, um die Hebel dort anzusetzen, wo es Sinn macht. Und drittens haben wir noch so viele gemeinsamen Themen und Ziele, die wir unbedingt erreichen wollen. Dafür ist es nötig, dass ich mich, dass wir uns stark machen.
Welche Akzente werden Sie als Landesleiterin setzen?
Die Wir Niederösterreicherinnen sind eine wichtige Säule in der bundesweiten Frauenpolitik. Wir verstehen uns als eine politische Kraft für Frauen in ganz Niederösterreich, die Rahmenbedingungen schafft, sodass jede Frau in unserem Bundesland ihr individuelles Lebensmodell umsetzen kann, so wie sie es sich wünscht. Mir ist ganz besonders wichtig, dass wir uns füreinander und miteinander engagieren, insbesondere für gleiche Rechte und gleiche Chancen. Eines meiner Hauptziele ist, dass Frauen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil repräsentiert sind und gehört werden, im beruflichen und privaten Alltag sowie im politischen Leben. Frauen, die nichts fordern, bekommen auch nichts! Daher ist es mir als Landesleiterin der Wir Niederösterreicherinnen ganz besonders wichtig, Frauen zu motivieren, dass sie politische Verantwortung übernehmen und als wichtige Role Models fungieren. Denn nur wer mitentscheidet, kann auch mitbestimmen!
Wie würden Sie Ihre Eigenschaften beschreiben?
Ich bin jemand, der die Abwechslung und die Herausforderungen liebt, und daher denke ich, dass ich in der Politik schon richtig gelandet bin! Meine Freunde beschreiben mich als Problemlöserin, da ich an neue Herausforderungen meist sehr sachlich herangehe und versuche, die Probleme Schritt für Schritt zu lösen. Wenn es sein muss, treffe ich aber auch rasche Bauchentscheidungen, bei denen ich zum Glück meistens richtig liege. Ich bin auch ein absoluter Familienmensch! So gerne ich auch arbeite, ist es mir wichtig, immer noch ausreichend Zeit für meine Familie, insbesondere meine Kinder, zu haben. Die Kinder werden so schnell groß, daher genieße ich es, die entscheidenden Momente mit ihnen gemeinsam erleben zu können.
Sie leisten ein volles Arbeitspensum und haben zwei noch relativ junge Töchter, Valerie ist zehn, Marie ist neun Jahre alt. Wird‘s da nicht öfter mal etwas turbulent?
(lacht) Da gebe ich Ihnen Recht, Langeweile ist etwas, das ich nicht kenne. Selbst in meiner Freizeit bin ich gerne unterwegs. Ich bin ein Mensch, der es mag, wenn immer etwas los ist. Aber manchmal brauche auch ich meine Ruhepausen. Viel Kraft geben mir hier meine Kinder, so widersprüchlich das auch klingen mag, weil der Alltag mit Kindern ja auch oft sehr stressig sein kann. Aber Kinder sind so unbeschwert, kreativ und ausgleichend, das gibt mir Energie. Ich betreibe auch gerne Sport, am liebsten Pilates, Jazztanz und Bouldern. Und was mir auch noch beim Abschalten hilft, ist Klavierspielen. Da ist es wichtig, die Gedanken beim Stück zu haben, wenn man sich nicht verspielen möchte.
Was möchten Sie den Frauen auf ihrem politischen Weg mitgeben?
Frauen geben sehr oft nach, wenn es um wichtige Entscheidungen geht, sie trauen sich oft viel zu wenig zu und stellen sich in den Hintergrund. Oft fehlt ihnen der Mut, „Ja“ zu sagen, aus Angst vor möglichen Konsequenzen. Nicht umsonst heißt es oft, „Frauen sind das stärkere Geschlecht“, vor allem, wenn es darum geht, mehrere Dinge parallel zu erledigen. Studien führen das auf eine höhere kognitive Selbstkontrolle bei Frauen zurück, vor allem dann, wenn es um Beobachtung und Planung geht. Diese und noch viele weitere Vorzüge sollten wir Frauen nutzen und uns daher für Themen stark machen, die uns wichtig sind.
Was können sich Frauen von Männern abschauen?
Das Netzwerken! Netzwerke und persönliche Kontakte helfen uns im privaten und beruflichen Umfeld oft weiter. Trotzdem nutzen Frauen diesen ganz einfachen Hebel oft viel zu wenig. Hier haben wir meiner Meinung nach noch Aufholbedarf. Die Wir Niederösterreicherinnen sind eines dieser wichtigen Netzwerke, je mehr Mitglieder wir gewinnen können, desto stärker werden wir.
Sie haben das Amt von Petra Bohuslav übernommen, die es bis zur Landesrätin schaffte. Wäre das auch eines Ihrer Ziele?
Über diese Frage habe ich noch gar nicht nachgedacht und diese stellt sich für mich derzeit auch gar nicht. Als Bundesrätin und nun auch als Landesleiterin habe ich ebenfalls viele Pflichten gegenüber den Menschen und trage große Verantwortung. Immer und überall ein offenes Ohr zu haben, gut zuzuhören und dann zu versuchen, den Menschen das Leben etwas leichter zu machen, das sind vermutlich Parallelen, die für mich jetzt auch schon von Bedeutung sind.
Ein Thema steht ganz oben auf Ihrer Agenda: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Welche Rahmenbedingungen müssen dazu noch verbessert werden?
Hier sehe ich noch eine große Herausforderung als ein gemeinschaftlich zu lösendes Thema, welches nicht auf ein frauenpolitisches Thema verkürzt werden darf. Es braucht immer Maßnahmen für beide Geschlechter. Frauenpolitik braucht daher immer auch Männer, die diese Maßnahmen mittragen, und versteht sich daher bei näherer Betrachtung als „Neue Männerpolitik“.
Wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach der Coronakrise durch die Digitalisierung eventuell einfacher?
Mit dem neuen Homeoffice-Paket ist nun ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Vereinbarkeit getan. Das Regelwerk gibt vor allem Frauen mehr Planbarkeit und Flexibilität. Dennoch ist es wichtig, Homeoffice nicht als „Allheilmittel“ zu sehen, da immer auch die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Insbesondere die Frage der Kinderbetreuung muss geklärt sein, weil sich Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung nicht vereinbaren lässt.
Die Wir Niederösterreicherinnen ÖVP Frauen setzen sich dafür ein, dass Frauen auch in der Pension abgesichert sind. Hier geht es auch um das Thema „Pensionssplitting“ ...
Es ist uns sehr wichtig, dass die Pension von Eltern künftig partnerschaftlich bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes aufgeteilt wird und zwar von Gesetzes wegen, ohne dass dafür – wie bisher – ein eigener Antrag gestellt werden muss. In diesem sogenannten „automatischen Pensionssplitting“ mit einer einmaligen, zeitlich befristeten Opt-out-Möglichkeit sehen wir eine wirksame Maßnahme zur Verhinderung von Altersarmut bei Frauen. Bis dato wurde nämlich von der Möglichkeit des Pensionssplittings kaum Gebrauch gemacht, seit der Einführung insgesamt erst in etwas mehr als 2.800 Fällen. Deshalb ist es so wichtig, das Pensionssplitting attraktiver zu machen und zu reformieren.
Welche Verbesserungen werden Sie zur Schließung der Einkommensschere anstreben?
Für Frauen bedeutet die Geburt ihres ersten Kindes sehr oft einen Karriereknick. Die meisten von ihnen kehren danach Teilzeit in ihren Job zurück. Für viele berufstätige Mütter bedeutet dieses verkürzte Arbeiten Einbußen in ihren Karriereverläufen, aber auch bei ihrem Gehalt. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, dass sich Frauen nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, sondern das Lebensmodell wählen können, was sie gerne möchten. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen. Wir haben vor allem in Bezug auf Kinderbetreuung schon sehr viel erreicht, wie beispielsweise jetzt mit dem Beschluss der Änderung des niederösterreichischen Kinderbetreuungsgesetzes, wo nun Tageseltern künftig ihre Tätigkeiten auch an den Betriebsstätten der Eltern anbieten können. Dies ist eine ganz bedeutende Maßnahme zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier müssen wir dranbleiben und unsere Familien noch weiter unterstützen. Ich verstehe Frauenpolitik als Politik für die Umsetzung gleicher Lebenschancen, im Detail für gleiche Entlohnung bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, für gleiche Aufstiegsmöglichkeiten in der Wirtschaft, für gleichen Einfluss in der Politik und für gerechte Verantwortungsteilung in der Familie.
Wie werden Sie noch mehr Frauen überzeugen, eine politische Funktionen zu übernehmen?
Ich werde mit gutem Beispiel voran gehen und Frauen Mut machen, sich ebenfalls für politische Aufgaben zu engagieren. Wir haben so viele großartige Frauen, von denen wir viel lernen können, diese gilt es, vor den Vorhang zu holen. Gerade jetzt in der Coronapandemie hat sich wieder gezeigt, wozu wir fähig sind und was wir alles leisten können. Nützen wir unser Potenzial, um uns gemeinsam zu stärken und uns für unsere Themen stark zu machen!