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People | 16.09.2021

"Du brauchst kein Drama … "

Was, wenn uns die Illusion vom idealen Leben so peu à peu abhandenkommt? Schließen wir dann zumindest ein Auge? Diesen Fragen stellt sich die Multimedial-Künstlerin Romana Maria Jäger in ihren expressionistischen „oneXeye.pics“ – Installationen für Frauenkräfte.

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(© Romana Maria Jäger)

Familie und Beruf(ung). „Mein Leben ist wunderbar. Glücklich und manchmal nicht“, sagt sie. Die Fülle eines Frauenlebens eben. Die diplomierte Lebens- und Sozialberaterin arbeitet viele Jahre lang als Trainerin und Seminarleiterin für betriebliche Gesundheit und Human Ressources u.a. für die NÖ Landesregierung, die Stadt St. Pölten, als Jobcoach für das AMS NÖ sowie für große, namhafte Unternehmen. Als die beiden Söhne aus dem Haus gehen, widmet sie sich einer ehrenamtlichen Tätigkeit beim Roten Kreuz St. Pölten. Als Mitglied des Kriseninterventionsteams begleitete sie in fünf Jahren fast 70 (!) Einsätze.

Der Bruch. Im Jahr 2009 werfen sie familiäre Schicksalsschläge „aus der Bahn“. Sie reagiert mit diffusen Schmerzen, die sie letztendlich in künstlerische Energie umsetzen kann. Sie erinnert sich an die kindheitsbeglückenden Erfahrungen mit Schere und den Katalogen der Mutter. Mit der ersten Ausstellung „Kunst im Rohbau“ – Collagen im Großflächendruck – startet Romana Maria Jäger 2012 in Blindenmarkt ihr neues Leben als modern-mixed-­art-Künstlerin „ro“. Die „Outsider“-Artistin, deren Liste an öffentlichen Ausstellungen, Konzepten und Projekten ziemlich lang ist, legt ihren Fokus oft auf Frauenthemen, auf Seelenanforderungen, auf zukunftsorientierte Methoden. Motivation und vor allem Demut und Geduld sind ihre Stärken – mit der Herausforderung, das Leben zu verstehen, die Menschen in all ihren Facetten zu lieben und zu lassen. Apropos erfülltes Frauenleben: Unter ihren Enkelkindern befinden sich auch Drillinge, bei „ro“ darf‘s eben von allem ein bisschen mehr sein ...


NIEDERÖSTERREICHERIN: Romana, Sie wollen mit Ihrer Kunst Impulsgeberin und provokante Aufdeckerin sein, mit dem Ziel, Gedankengänge zu verändern ...
Romana Maria Jäger: Schon als Kind wusste ich, dass dieses dogmatische, eng­stirnige Leben der Menschen in meiner Umgebung für meine Zukunft nicht geeignet sein kann. Ich wollte immer etwas bewirken, das Leben in eine für alle gute Richtung bringen. Endlich bin ich in einem Alter, wo ich mir sicher bin, dass ich viel zu sagen habe, viel Erlebtes, Erlittenes. Meine Erfahrungen, meine Forschungen scheinen endlich gebraucht zu werden. Früher war ich oft zu früh mit meinen Visionen, die dann nicht realisiert werden konnten. Jetzt ist genau die Zeit, Menschen zu motivieren, neu zu denken, sich aus der Bequemlichkeit in die reale Welt zu begeben. Klimawandel muss zuerst unser soziales Miteinander, unser soziales Klima wandeln.

Sie sagen auch, unsere Gesellschaft braucht ein „weg vom Drama“. Was meinen Sie damit?
Drama ist der Zustand der Überreiztheit. Theaterstücke überzeichnen das Leben im Drama, in Akten wird inszeniert und möglichst provokativ leidenschaftlich dem Publikum Bilder der Welt gezeigt. Medien leben von großen Überschriften, Kunst, Literatur, Musik kann dich in hohe Sphären bringen. Kummer, Leiden, Sehnsüchte, die das Große suchenden Gefühle sind die Grundlage für den Erfolg. Mark Twain sagte einst als alter Mann: „Ich habe schon viel Leid auf dieser Welt gesehen. Das Wenigste davon ist tatsächlich geschehen.“ Eine meiner vorrangigsten Botschaften in jedem Coaching lautete: „Schau auf die reale Welt. Alles was sie dir bietet, ist genug – du brauchst kein Drama. Frag dich: Was ist tatsächlich geschehen? Wo bist du mit dir und deinen Möglichkeiten im Einklang? Was schwächt dich? Wovon solltest du dich lieber fernhalten?“ Diese Fragen sollten sich besonders Frauen stellen, denn sie sind es meist, die wegsehen, sich in Harmonie und ihren Träumen in nonreale Welten begeben.

 

Bild 2109_N_Menschen_Jaeger_o.pic.jpg
(© Romana Maria Jäger)

Bei Ihren Installationen „oneXeye.pics“ fällt auf, dass Frauen nur mit einem Auge sehend oder sogar mit geschlossenen Augen im Fokus stehen. Was hindert frau daran, mit zwei Augen auf die Welt zu blicken?
Harmonie um jeden Preis, eine saubere keimfreie Umwelt, nur das Beste zählt! Sei ein liebes Mädchen, werde eine gute Frau, bleib möglichst unschuldig, dein Leben lang! Die Religion, die Eltern, die Gesellschaft geben vor. Unschuld aber schwächt jede Frau und lässt sie ungeschützt im Leben zurück. Erst wenn frau im alltagsguten, gewöhnlich schönen Leben angekommen ist, kann sie friedliche Impulse senden, kann sie sich in ihrer ganzen erdigen Kraft erleben. Daher: „Frauen geht raus, um Visionen zu suchen, raus aus der harmonieverseuchten Insta-Welt – dann braucht ihr euch nicht mehr schön operieren lassen oder auf den Prinzen warten, dann habt ihr die Kraft und die Zeit, euch selbst in aller Frauenpower zu verwirklichen!“ 

Sie haben in diversen Genres gearbeitet, Bilderbücher für Erwachsene kreiert, gedichtet, Tagebücher für die Seele entworfen. Ihre bildnerischen Arbeiten reichen von skulptural bis zur Malerei und Collagengestaltung mit abstrakten Methoden. Welche zentrale Botschaft verbindet sie alle?
Die Botschaft lautet: „Dort wo du dich selbst als ein einzigartiges Wesen annimmst, deine Kraft für dein Wesentliches statt gegen etwas z.B. Ungerechtes einsetzt, bist du am richtigen Platz! Dort wirst du dem Leben gerecht, dort wirst du dein Glück finden. Schau hin, auch wenn und auch weil es sicher weh tun wird.“ In meinem Buch „wasch mich, aber mach mich nicht nass“ findet man spannende Anregungen dazu. „Schmerz ist dein Meister“ – in dem Kapitel siehst du viele Arten von Schmerz – der lösende, der befreiende, der erlösende Schmerz ist unser Wegweiser. Die anderen können wir uns alle sparen. Schau hin, diese Botschaft ist in allen meinen Werken zu finden. Schau mit beiden Augen hin, schau auf diese reale Welt, die so schräg, andersartig, divers, fremd, auf den Kopf gestellt oder auch nur ganz gewöhnlich schön ist, oder hässlich. Schau hin auf die Vielfalt von Möglichkeiten, sich der Welt von mehr als nur einer Seite zu zeigen. Was leben wir denn als Gesellschaft den Kindern vor? Wie viel Schönheit und Harmonie brauchen wir? Wie viel Wert haben Frauen und Männer jenseits der 50 in unserer Gesellschaft? Wann lernen wir endlich, dass Krisen unsere Chance zur Veränderung sind. Motivation pur. Keine Wandlung ohne Veränderung. Ich bin froh, denn es hat sich gezeigt: Meine Familie ist krisensicher, der Clan kümmert sich gemeinsam um die Brut! Die Drillinge sagen: „Omi, uns ist Corona egal. Wir haben trotzdem eine gute Zeit, wir sind jung und wir leben in einer schönen Welt!“

Drei Wünsche an die gute Fee?
Mit 58 Jahren bin ich gerade wieder am Start, meine (nächsten) Karriere­schritte zu beginnen.
Ich würde gerne Kolumnen für Frauenmagazine oder politische Zeitschriften schreiben und illustrieren, meine Bücher, die in unterschiedlichsten Stadien fertig sind, bei einem guten Verlag unterbringen. Ich würde gerne mehr noch von meiner Kunst ausstellen und Installa­tionen – auch Outdoorprojekte – für Jetzt-Themen verwirklichen. In den Jahren meiner inneren Seelenschau und Selbstverwirklichung hatte ich Zeit, um neue Projekte vorzubereiten – die wollen nach und nach geboren und verwirklicht werden!

 

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