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People | 09.11.2022

Bereit für die Bühne

Zuletzt lieh sie ihre Stimme Lisa Simpson, jetzt braucht sie sie selbst: Yasmo schuf mit ihrer „Klangkantine“ ein fulminantes Album, das nun live unters Volk gebracht wird. Im November gastiert die Formation in St. Pölten und Purkersdorf.

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(© Karo Pernegger)

Das Bandfoto spricht die Sprache des neuen Albums: laute Farben, raffiniertes Schmunzeln, geheimnisvolle Blicke – und voller Tatendrang! Bereit, wieder Boxen vibrieren zu lassen, die Bühnen zu erobern, die Gehirnzellen zum Brodeln zu bringen, weil es genug kritisch zu hinterfragen gibt, und bereit, Sitzplatzkarten ad absurdum zu führen, weil getanzt werden muss. Im Herbst veröffentlichen Yasmo & die Klangkantine das dritte Album, die Tour führt sie gleich nach Niederösterreich: am 12. November in den Freiraum nach St. Pölten und am 26. November in die Bühne Purkersdorf. Wir trafen die herzlich taffe Frontfrau Yasmin Hafedh alias Yasmo zum Interview.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Das Album trägt den Titel „Laut und lost“. Wieso laut, wieso lost, und worum geht’s?
Yasmin Hafedh: Das Album ist nicht nur, aber auch ein Dokument aus einer Zeit, nämlich der Pandemie, in der alles sehr leise war. Es gab wenig Öffentlichkeit, außer digital. Unser Wunsch, laut sein zu wollen, unsere Haltung und Meinung vertreten zu wollen, war sehr stark spürbar.
Gleichzeitig ist uns aufgefallen, dass gerade nicht nur wir uns ein bisschen lost fühlen, sondern auch die Generationen nach uns, das kriege ich in den Schulen mit, wenn ich Workshops mache. Irgendwann saß ich dann auf dem Balkon, und plötzlich war der Titel da: Laut und lost.

Ihr habt ins Album ein paar schöne Kollaborationen inte­griert – erzähl mal bitte.
Wir haben uns dieses Mal einige Gäste dazu geholt; zu ihnen gehört Mira Lu Kovacs für den ersten Albumtitel „100K“. Ich wollte den klassischen Rapsong dekonstruieren und aufzeigen, dass es eine absolute Lüge ist, dass man alles werden kann, wenn man das möchte. Natürlich haben wir alle unterschiedliche Start­voraussetzungen.
Mira und mich verbindet eine jahrelange Freundschaft, ich wollte schon lange etwas mit ihr machen. Dann schicke ich ihr den Song, also eine Demo, und wenig später kommt eine Sprachnachricht von ihr: mit der Melodie für den Refrain, da ist mir die Kinnlade runtergefallen, es war perfekt. Ähnlich war es beim Song „90er Kind“, den wir mit W1ZE gemacht haben. Sie ist mittlerweile eine Ikone.

Du bist die Stimme von Lisa Simpson. Wie kam es dazu?
Das war ein Lichtblick während Corona! (lacht) Im Sommer 2020 kam ein Anruf von meiner Agentur, der ORF habe sich gemeldet, sie wollen „Die Simpsons“ auf Österreichisch machen – und mich als Lisa. Ich dachte sofort: Die verarschen mich. – Meinen die das ernst? Muss ich ein Casting machen? – Aber nein, das war schon fix, sie wollten mich. Ich hab‘ mir gedacht: Oida, jooo! Ich wollte als Kind Saxofon lernen (Lisa spielt Saxofon in der Serie, Anm.), ich hab’s nie gelernt, ich komme aus einer Arbeiterfamilie, ich werde mal Präsidentin, who knows, aber jetzt bin ich mal die Lisa Simpson!
Diese erste Folge war so erfolgreich, dass wir im Jahr darauf noch drei weitere gemacht haben. Ich bin sehr dafür, dass der ORF eine ganze Staffel macht; die Übersetzung war echt eine Meisterleistung. Sie haben nicht nur den englischen Humor gut mitgenommen und übersetzt, sondern auch noch österreichischen Schmäh mit reingepackt.

 

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Inspirierende Freundschaft. Den Albumopener „100K“ machte Yasmo gemeinsam mit Mira Lu Kovacs. (© Frames Network)

Du beschreibst dich als intersektionale Feministin. Wie definierst du das?
Ich wünsche mir eine Welt und kämpfe dafür, in der alle Menschen respektvoll zueinander sind. Intersektionaler Feminismus erkennt, dass es nicht nur Schwarz und Weiß, Mann und Frau und nicht nur eine Ebene der Diskriminierungserfahrung gibt. Feminismus ist ein ganzheitliches Projekt und inklusiv, er ist auch für Männer da und hat als Grundlage, so wie ich ihn lebe, dass wir alle die gleichen Chancen haben. Es gibt Unterscheidungen, die kann man nicht „wegignorieren“; Frauen können Kinder gebären, Männer nicht. Aber es gibt viele Themen, über die wir reden müssen: die Väterkarenz, das Pensionssplitting, da sind viele Faktoren, die über das Kinderkriegen hinausgehen.

Es gibt leider auch extrem frauenverachtende Rapper – wie erlebst du das?
Ich akzeptiere und respektiere die Kunstfreiheit, aber ich höre es mir nicht an. Was mich ärgert: Der Rap wird dadurch in den Dreck gezogen. Rap bzw. Hip-Hop ist ein Genre, bei dem sich die Menschen in einen Kreis stellen und freestylen und rappen, was sie erlebt haben, etwa welche Ungerechtigkeiten.
Ich kriege oft die Frage: Wie gehst du mit dem Sexismus im Rap um? – Dann antworte ich: Wie gehst du mit dem Sexismus in der Welt um? In unseren Album- und Singlecharts gibt es genug Sexismus; wenn diese Menschen so viele Klicks kriegen und hohe Verkaufszahlen haben, dann bedeutet das, es gibt viele Menschen, die das konsumieren, dann haben wir als Gesellschaft ein Problem. Wir haben weiß Gott wie viele Femizide im Jahr, wir haben Cat Calling und Gewalt zu Hause, Frauen sind nicht sicher. Das nur auf Rap zu schieben, ist mir zu wenig weit gedacht. Das ist ein absolutes Problem, da müssen wir ansetzen und was ändern. Und wenn Frauen eines Tages gleichgestellt sind, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen, dann können wir schauen, ob da sexistischer Rap noch so erfolgreich sein kann.

Wie soll‘s für dich weitergehen?
Ich möchte gesund bleiben und in vollen Häusern spielen, vor allem die Tour. Ich bin Teil des Organisationskomitees der deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam, die von 2. bis 6. November erstmals in Österreich stattfinden, da hoffe ich, dass alles gut klappt. Wenn ich‘s mir aussuchen könnte, würde ich Krieg, Hunger, Armut in der Welt beenden. Leider kann ich es mir nicht aussuchen. Ich selbst bin zufrieden und dankbar für mein Leben. Natürlich hoffe ich, dass ich weiterhin als freischaffende Künstlerin arbeiten kann, derweil sehe ich das nicht in Gefahr.

 

KURZBIO

Yasmin Hafedh wurde 1990 in Wien geboren und ist eine Rapperin, Slampoetin, Autorin und selbst Veranstalterin verschiedener Poetry-Slams. Alias „Yasmo & die Klangkantine“ veröffentlicht sie im Oktober 2022 das dritte Album.
www.yasmo-klangkantine.com

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Laut aufdrehen und hingehen. „LAUT UND LOST“ – die Konzerte zum neuen Album: www.yasmo-klangkantine.com