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People | 08.03.2021

Frau mit Haltung

Naomi Campell und Claudia Schiffer standen vor ihrer Kamera, ihre Plakate für Palmers haben Kultstatus, ihre Modeaufnahmen für Helmut Lang machten Elfie Semotan (79) zur international bekanntesten Fotografin Österreichs. Das KUNST HAUS WIEN würdigt die gebürtige Welserin mit einer Ausstellung.

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Self-portrait, New York, 2000 © Courtesy Studio Semotan, © Elfie Semotan

Elfie Semotan heißt mich in ihrer hellen, großzügigen Altbauwohnung in der Wiener Innenstadt willkommen. Unmengen an Büchern in Regalen, Bilder und Gemälde von Freunden und Weggefährten sowie ihre eigenen Fotografien und viele Sammlerstücke zeugen von einem aufregenden Leben zwischen Wien, Paris, New York und dem Burgenland. Am großen Tisch in der Mitte des Raumes erzählt mir Österreichs bekannteste Fotografin von ihrem Aufwachsen am Land in Oberösterreich, ihrem bewegten Leben als Model, Fotokünstlerin, Ehefrau und Mutter. Ich lerne eine mutige und sympathische Frau kennen, der Freiheit von Kindesbeinen an immer ein hohes Gut war, die Konventionen gescheut hat und trotz einiger Schicksalsschläge das Leben so angenommen hat, wie es gekommen ist. 

 

OBERÖSTERREICHERIN: Sie wuchsen während des  Zweiten Weltkrieges in Oberösterreich auf. Wie war Ihre Kindheit?

Elfie Semotan: Ich bin in Wels geboren, habe anfangs in Vorchdorf gewohnt, dazwischen in Haag am Hausruck und später wieder in Vorchdorf. Mein Familienleben war chaotisch, aber das Leben am Land hat es mir erlaubt, raus in die Natur zu gehen und viel Freiheit zu genießen. 

 

Ihre Mutter verließ die Familie, als Sie zwei Jahre alt waren. Wie haben Sie das empfunden?

Für meinen Vater war es sicher nicht einfach, in einer schwierigen Zeit mit wenig Geld, Alleinerzieher zu sein. Es war ein Glück, dass er bei der Eisenbahn gearbeitet hat und deshalb nicht in den Krieg ziehen musste. Mit acht Jahren holte mich meine Mutter auf meinen Wunsch zu sich nach Wien. Sie arbeitete als Röntgenassistentin und hat zur Untermiete bei einer Familie gewohnt. Als wir mit dem Auto durch die Stadt fuhren und ich nur gepflasterte Straßen sah, dachte ich mir: „Wo soll ich da spielen?“. Ich ging in eine Klosterschule und war dort richtig schlimm. Ich denke aus Protest. Das war für meine Mutter sicher sehr belastend. Nach einem Jahr in Wien zog ich wieder zu meinem Vater und meiner Stiefmutter, die ich nicht sehr gemocht habe, aufs Land zurück. Anscheinend war es mir wichtiger, draußen zu spielen. 

 

Wie sehr hat Sie diese Familienkonstellation geprägt? 

Meine Mutter war energiegeladen und ehrgeizig, was ich als Kind so natürlich nicht wahrgenommen habe. Ich war 15 Jahre alt, als die Apothekerin in Haag zu mir sagte, du bist wie deine Mutter, eine sehr tolle und mutige Frau. Das machte mich glücklich, Gutes über meine Mutter zu hören und wie sie zu sein. 

 

Nach der Pflichtschule sind Sie ein zweites Mal zur Mutter nach Wien gegangen, um die Modeschule Hetzendorf zu besuchen. Hat Sie Mode schon immer interessiert?

Ich denke schon. Ich erinnere mich, als ich im Volksschulalter war, hat mir meine Mutter einmal einen Badeanzug mit grünen Fröschen geschickt. Der war mir zwar ein bisschen zu klein, aber ich habe ihn mit Begeisterung getragen. Mode oder Schönheit war mir schon damals wichtig. 

 

Was haben Sie nach der Modeschule gemacht? 

Zuerst habe ich versucht, bei einer der damals wenigen Prêt-à-porter-Firmen zu arbeiten. Ich sollte genau nach deren Anweisungen entwerfen. Langweilige Teile, die ich selber nie anziehen würde. Damit hatte ich ein Problem, also habe ich gekündigt. Ich wollte entwerfen und Gertrud Höchsmann engagierte mich für ein Jahr. Bei ihr habe ich sehr viel gelernt und sie auch sehr respektiert und verehrt. Danach habe ich mein Glück als Fotomodell und Mannequin versucht. Aber auch das hat nicht wirklich funktioniert, da es damals, Anfang der 1960er-Jahre, in Wien außer ein paar Couturiers so gut wie keine Modeszene gab. Also bin ich nach Paris gegangen.

 

 

 

 

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Elfie Semotans zweiter Mann: Martin Kippenberger in Issey Miyake, Wien, 1996/2014; © Courtesy Studio Semotan, © Elfie Semotan

Einfach so, ohne fixen Job oder Plan?

Ein fixer Plan wäre nicht möglich gewesen. Ich wusste nicht, was mich erwartet  (lacht). Ich hatte 700 Schilling in der Tasche und konnte zwei Wochen lang bei einer Freundin in einem Hotel wohnen. In Paris angekommen, nahm ich ein Telefonbuch in die Hand und habe alle Couture-Häuser angerufen. „Lanvin“ hat mich für zwei Monate als Model engagiert. Dadurch hatte ich eine erste Sicherheit und konnte in Ruhe die Agenturen für Fotomodelle kontaktieren. Mit Erfolg, denn insgesamt habe ich zehn Jahre in Paris gelebt und gearbeitet.  

 

Wie sind Sie zum Fotografieren gekommen?

Durch meinen Beruf, ich war ja dauernd mit Fotografie beschäftigt und durch den kanadischen Fotografen John Cook, den ich in Paris kennengelernt habe und mit dem ich auch liiert war. Er hat mir das Fotografieren beigebracht und sobald ich es konnte, hat er sich alles von mir entwickeln lassen. Das war sehr lehrreich. Ich tat es auch für mich,  denn wenn man selbst entwickelt und Prints macht, sieht man sofort, was man falsch gemacht hat. Ich habe zum Beispiel einen schwarzen Persianermantel fotografiert, der am Foto wie ein Kohlensack aussah. Alle Fehler, die ich machte, musste ich in der Dunkelkammer stundenlang ausbessern.

 

Haben Sie damals Mode fotografiert?

Angefangen habe ich mit Modefotografie, nebenbei habe ich aber immer auch Landschaften und erweiterte Still Lifes gemacht. 

 

Gab es zu dieser Zeit in Paris viele Fotografinnen?

Neben mir hat es noch eine deutsche Fotografin gegeben, sonst eigentlich nur männliche Fotografen. Natürlich gab es Sarah Moon, wir waren befreundet und haben gleichzeitig angefangen. Aber ob Mann oder Frau, darauf habe ich eigentlich nie geachtet, es schien mir normal und ich hatte kein Problem, mich durchzusetzen. Mein Anliegen waren immer nur mein Können und meine persönliche Freiheit. 

 

 

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Das legendäre Schwarz-Weiß-Porträt: Johanna Dohnal, Wien, 1992/2019; © Courtesy Studio Semotan, © Elfie Semotan

Gemeinsam mit John Cook sind Sie dann zurück nach Wien gegangen. Haben Sie als Fotografin sofort Fuß gefasst?

Mein Einstieg in Wien als Fotografin war nicht schwierig. Die Modebranche war am Anfang und durch die zehn Jahre in Paris hatte ich einen riesigen Erfahrungsvorsprung. Ich fotografierte alles, Porträts und Modekataloge. Magazine hat es damals noch nicht gegeben. 

 

Haben Sie zu dieser Zeit noch als Model gearbeitet?

Nein, ich habe nur mit John Cook ein paar Projekte gemacht. Er hat in Wien als Filmemacher gearbeitet, wir haben uns dann bald getrennt und John ist wieder nach Kanada zurückgegangen. 

 

Sie sind in Wien geblieben?

Ja, mein Lebensmittelpunkt war Wien. Mit 32 Jahren lernte ich Kurt Kocherscheidt kennen, wir heirateten und bekamen zwei Kinder. Nachdem Kurt im November 1992 verstarb, bin ich noch eineinhalb Jahre in Wien geblieben und dann nach New York gegangen. Österreich war zu dieser Zeit aus verschiedenen Gründen schwierig für mich. Ob Werbekampagnen für
Palmers, Römerquelle oder Sujets für Zigarettenwerbung – ich hatte beruflich alles gemacht, was gut war. Damals war es das Bestreben, gute Fotos für eine tolle Kampagne zu machen. Das gibt es heute in diesem Ausmaß nicht mehr. Heute steht vor allem das Verkaufen im Vordergrund. Natürlich war das auch damals wichtig, aber man konzipierte Kampagnen auf längere Sicht. Die Sujets von Palmers oder Römerquelle hatten Kultstatus. 

 

Wie war Ihr Neustart in New York?

Es war wunderbar. Ich war ja nicht gerade jung, ich war 52 Jahre alt. Es war ein kompletter Neuanfang. Meine Freundschaft mit Helmut Lang, der schon in New York gelebt hat, hat einiges einfacher gemacht. Obwohl ich als Fotografin in Amerika nicht gänzlich unbekannt war, musste ich die maßgeblichen Leute in Agenturen abklappern und meine Arbeiten vorstellen. Man hat mich durch Helmut gekannt, doch meinen Weg musste ich letztlich alleine gehen. 

 

Wie alt waren damals Ihre Söhne?

August war dreizehn Jahre alt, Ivo war 21 und hat damals schon in London studiert. Es war mir wichtig, das Leben in Wien so gut wie möglich zu organisieren, weil ich mich an meine chaotische Kindheit erinnert habe und das für meine Söhne nicht wollte. Für Ivo war es sicher einfacher, er war älter, lebte in London und hatte bereits viele Freunde dort. Ich bin zwischen New York und Wien gependelt. Ich hatte ein Arbeitsvisum für Amerika und musste auch immer Zeit in Österreich verbringen.  

 

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Das österreichische Model: Cordula Reyer, Ungarn, 1990; © Courtesy Studio Semotan, © Elfie Semotan

Haben Sie noch immer eine Base in New York?

Ich habe meine Wohnung in Chinatown im vergangenen Sommer aufgelöst. Mit Donald Trump und Corona machte das für mich keinen Sinn mehr.

 

Sie haben für Fashion Magazine wie Vogue, Elle, Esquire, Harper’s Bazaar ... fotografiert und viele Supermodels abgelichtet, wie war das Arbeiten mit ihnen?

Sehr gut, diese Mädchen sind sehr professionell. Die Mär, dass Models dumm sind, stimmt natürlich nicht. Das hat mehr damit zu tun, wie man Frauen und erst recht schöne Frauen einstuft. Naomi Campell wurde ihrem Ruf gerecht und kam meistens drei, vier Stunden zu spät ans Set. Mit Gisele Bündchen konnte ich exzellent arbeiten, sie ist mir allerdings fast zu perfekt. Mit Supermodels schlechte Fotos zu machen, ist generell schwierig. Sie können sich bewegen und haben eine gewisse Präsenz und Ausstrahlung und sie wissen genau, was sie tun.  

 

Vier Jahre nach dem Tod Ihres Mannes haben Sie den exzentrischen Künstler Martin Kippenberger geheiratet, der leider ein Jahr später verstorben ist. Hätten Sie sich auch ein Leben mit einem 08/15-Mann vorstellen können?

Konventionen, gesellschaftliche Verpflichtungen, Regeln – ob religiös oder weltlich – waren für mich immer schwierig. Das heißt nicht, dass ich ein verrücktes Kind war, aber wenn es notwendig war, habe ich Regeln gebrochen. Ich war oft allein, habe viel beobachtet und bald erkannt, dass ich gesellschaftlich nicht sehr angepasst bin. Ich habe festgestellt, dass weder das Kleinbürgerliche noch das Bürgerliche und Großbürgerliche etwas für mich ist. Mir war schnell klar, dass ich in einer künstlerischen Umgebung sehr gut leben könnte. Ich habe das nicht bewusst verfolgt, es war eine Feststellung. Als ich den Kurt zum ersten Mal sah, wusste ich sofort, mit diesem Mann möchte ich zusammenleben. Dass er Künstler war, hatte ich in diesem Moment nicht im Kopf.  

 

Wie sehr haben Sie Ihre Männer in Ihrer Arbeit geprägt?

In der Fotografie hat mich John Cook am meisten geprägt. Er war eine Ausnahmeerscheinung in der Modefotografie.  Soziale Aspekte hatten immer Bedeutung für mich, Mode und Modefotografie waren davon nicht ausgenommen. Das Leben, das ich später im Künstlermilieu geführt habe,  hat nur bestätigt, was ich ohnehin wollte, nämlich Frauen und Models nicht nur der Mode wegen, sondern ihrer Person wegen zu fotografieren. Mein Ziel war immer, nicht die glamouröse Seite der Mode abzubilden, sondern die Menschen, die die Mode am Leib trugen. 

 

Sie haben in den 1980er-Jahren für Palmers fotografiert, gab es da auch
Anfeindungen?

Ja sicher, die Feministinnen haben diese Plakate gar nicht geschätzt.  Besonders bei diesen Fotos war mir immer bewusst, wie wichtig es ist, jedem Menschen seine Würde zu lassen, egal, ob er Unterwäsche oder was auch immer anhat. Während des Fotografierens war es mir wichtig, die Frauen nicht einfach nur zum Display männlichen Begehrens zu machen. Ich habe auch Männer in Unterhosen fotografiert, das hat allerdings niemanden interessiert, weil Männer unabhängiger von der öffentlichen Meinung sind und dadurch ganz anders respektiert wurden. Nicht von mir, sondern der Umwelt. Das ist ja heute noch so.  

 

Da hat sich also nicht viel verändert?

Na ja, denken Sie nur an die Werbung mit Frauen, die mit einer Damenbinde über Wiesen hüpfen. Da frage ich mich, gibt es nicht eine andere Möglichkeit, diese Werbebotschaft zu zeigen, wenn man sie schon zeigen will. Immerhin sind wir alle erwachsen und können auch über solche Dinge reden.

 

 

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o. T. (Inspiriert von Diane Arbus) Americana, Wien, 2018; © Courtesy Studio Semotan, © Elfie Semotan

Wie definieren Sie Schönheit?

Selbst beim Fotografieren ist die oberflächliche Schönheit nicht das Wichtigste. Es gibt vieles, was von mir unverständlicher Weise als schön akzeptiert wird. Ich habe einmal einen Bauernkalender fotografiert. Das war deshalb spannend, weil mich die einseitige Darstellung der ländlichen Sexualität, die damals fast ausschließlich vom Playboy abgeleitet war, geärgert hat und ich das anders machen wollte. Zum Casting kamen Söhne und Töchter von Bauern, was sehr authentisch und menschlich war. Darunter waren auch die sogenannten „Ballköniginnen“ – also Mädchen, die am Dorfball zur Schönsten gekürt werden. Ich habe aber Frauen ausgewählt, die letztendlich nicht als klassische Schönheit bezeichnet werden konnten. Es war ein Gesamteindruck, der diese Schönheit ausgemacht hat und es berührt mich heute noch, wenn ich daran denke. 

 

Facebook, Instagram ... Wir leben in der Welt der schönen Bilder. Können Sie Social Media etwas abgewinnen?

Daran sieht man, wie unglaublich wichtig und mächtig Werbung noch immer ist, obwohl wir uns als aufgeklärt betrachten. Man sieht es besonders an den kleinen Mädchen, die mit der Farbe Rosa und später mit Kosmetikartikel überhäuft werden. Die jungen Mädchen sind sehr einheitlich geschminkt und frisiert und das mit einer Perfektion, die ich schrecklich finde. Es ist verständlich, dass sie experimentieren und nachmachen. Es ist das gleichgeschaltete Bild, das mit stört, es gibt so viele Variationen der Schönheit. 

 

Arbeiten Sie noch viel?

Ich arbeite in erster Linie für mich und befasse mich mit Politik und Frauenthemen, wie der Gleichstellung von Mann und Frau. Warum Frauen noch immer nicht dasselbe wie Männer verdienen, ist nicht zu verstehen. Mir war sehr früh bewusst, dass es ganz wichtig ist, sein eigenes Leben zu leben und sein eigenes Geld zu verdienen. In einer Beziehung muss jeder sein Leben mitbringen, über das man sich dann gegenseitig austauschen kann. Das ist sehr wichtig und wunderbar. Ich stelle es mir schrecklich vor, dass wenn ein Mann nach Hause kommt, die Frau auf das Leben wartet, das er erlebt und mitbringt. Ich stelle mir das aber auch umgekehrt für den Mann schwierig vor. 

 

Also eine gewisse Freiheit auch in der Liebe und in Beziehungen?

Nicht nur Freiheit, auch Selbstständigkeit. Ich war beruflich immer viel unterwegs und glaube, dass kurze „Trennungen“ wichtig sind, um den Menschen, den man liebt, immer wieder neu zu sehen. Man muss Abstand haben, um die Nähe immer neu erleben zu können. Ich war oft unglücklich darüber, wieder wegfahren zu müssen. Aber im Endeffekt hat es die Beziehungen lebendig erhalten.

 

Sie werden im Sommer 80 Jahre, was können Sie dem Älterwerden abgewinnen?

Das Alter kann großartig sein, wenn man sich selber nicht unter Druck setzt und mit 25-Jährigen mithalten will.  Ob Frau oder Mann, ob Alt oder Jung, das hat für mich nie eine Rolle gespielt. Wichtig ist für mich, wie man sich mit jemandem unterhalten kann. Ich fühle mich ganz wohl, so wie es jetzt ist.

 

 

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Selbstporträt, Jennersdorf, 2014 Die Fotografin lässt sich selbst nicht gerne fotografieren. © Courtesy Studio Semotan, © Elfie Semotan

Was hat Sie das Leben gelernt?

Ich würde mein Leben wahrscheinlich wieder genauso leben, weil ich mein Denken nicht vollkommen verändern könnte. Ich glaube, man muss Dinge, die sehr einschneidend sind und unter denen man auch leidet, mit sich selbst ausmachen. Am besten einfach alles, was einem im Leben widerfährt, analysieren, hinterfragen und dazu Stellung beziehen. Einen Weg für sich finden. Das gibt Freiheit.

 

Die Ausstellung im KULTUR HAUS WIEN trägt den Titel „Haltung und Pose“ – das ist in zweierlei Hinsicht zu verstehen, oder?

Ja, genau. Es ist ganz wichtig, dass Frauen nicht wieder in bestimmte Klischees zurückfallen. Alleine durch meine Familienkonstellation musste ich mich schon sehr früh fragen, was ich möchte und wie ich gerne leben würde. Im Laufe seines Lebens ist man zahllosen Einflüssen ausgesetzt. Jeder bringt seine eigene Persönlichkeit mit, man wird erzogen und betrachtet seine Umwelt mit wachen Augen. All das führt zu einer Einstellung, die man Haltung nennen kann. 

 

Wie sehr hat Sie das Corona-Jahr getroffen?

Es hat mich nicht allzu sehr getroffen. Ich bin nicht im Aufbau meines Berufslebens und kann tun, was ich möchte, mit oder ohne Corona.  Ich habe sehr viel gelesen, das war großartig, ich habe viel gelernt. Ansonsten hat mir alles gefehlt, was in unserer Zivilisation und Kultur normalerweise selbstverständlich ist, wie Freunde sehen, ins Kaffeehaus oder ins Museum zu gehen oder im Geschäft Bücher zu kaufen.  

 

Gibt es ein Lieblingsfoto?

Das ist schwierig, ich habe so viele Fotos in meinem Kopf.

 

Welches Motiv haben Sie am meisten fotografiert?

Ich habe meine Kinder ganz viel fotografiert, Freunde und auch Helmut Lang, obwohl er ganz oft versucht hat, es zu verhindern (lacht).  Am häufigsten und am ungehindertsten habe ich Landschaften und  Still Lifes gemacht. 

 

Wann haben Sie sich als Fotografin gedacht, jetzt habe ich es geschafft?

Das habe ich mir nie gedacht und das denke ich mir auch heute nicht. 

 

Wann ist ein Foto ein gutes Foto?

Wenn man Menschen in ihrer Substanz darstellen kann, ohne dass man sie preisgibt. 

People | 08.03.2021

Elfie Semotan

Elfie Semotan, 79, ist in Wels geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Vorchdorf, Haag am Hausruck und Wien. Sie begann ihre Karriere als Fotomodel in Paris und wechselte Ende der 1960er-Jahre hinter die Kamera. Als Fotografin wurde sie vor allem durch die langjährige Zusammenarbeit mit Helmut Lang und durch ihre für damalige Zeiten provokanten Kampagnen für Palmers und Römerquelle bekannt. Elfie Semotan war mit den Künstlern Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger verheiratet. Sie hat zwei Söhne und lebt in Wien und Jennersdorf im Burgenland.­