People | 27.07.2020
Wir müssen Barrieren brechen
Strahlend wirbelt sie mit wildem Lockenkopf herein – unverkennbar ihr Markenzeichen. Seit März 2013 präsentiert Eser Akbaba, 41, das ORF-1-Wetter, aber der Weg dorthin war nicht immer einfach. Sie wuchs als türkisches Gastarbeiterkind in Wien-Simmering auf und war oft Anfeindungen ausgesetzt.
Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften an der Uni Wien startete Eser Akbaba 2006 ihre Laufbahn in den Medien – als Gründungsmitglied des Magazins „das biber“. Drei Jahre später wechselte sie zum ORF und moderierte bis 2013 das „Wien heute“-Wetter.
Wie sie es trotz aller Schwierigkeiten schaffte, beruflich ihren Weg zu gehen, erzählt Eser Akbaba in ihrem Buch „Sie sprechen ja Deutsch!“ Sie gibt Einblicke in die Probleme und Schwierigkeiten, mit denen ihre Familie konfrontiert war, als sie in Österreich ankam. Und sie vermittelt, was es heißt, als Gastarbeiterkind zwischen zwei Welten aufzuwachsen.
look: Sie sind in Wien geboren. Wann waren Sie das erste Mal mit dem erstaunten Satz „Sie sprechen ja Deutsch!“ konfrontiert?
Eser Akbaba: Ich bin mit Deutsch als Erstsprache aufgewachsen und kam mit einem Jahr in den Kindergarten. Zuhause wurde mehrheitlich Türkisch gesprochen, aber ich kann Deutsch viel besser als meine Muttersprache Zaza oder Türkisch. Einmal kam ein älterer, sehr netter, adrett gekleideter Mann auf mich zu. Offenbar kannte er mich aus dem Fernsehen. Er sagte: „Sie sprechen aber sehr gut Deutsch.“ Ich war so verdutzt, das passiert mir wirklich sehr selten (lacht), und antwortete dann: „Danke sehr, Sie aber auch.“
Mittlerweile sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass die Nachgeneration sehr gut Deutsch spricht, teilweise sogar noch besser als die Muttersprache.
Wie alt waren Sie, als Sie erste Anfeindungen erlebt haben?
Die gab‘s schon in der Volksschule, dann in der Unterstufe. Es waren Sprüche wie „Ihr Türken seids ja alle gleich“ und auch subtile Anfeindungen. Die anderen haben mich etwa spüren lassen, dass ich nicht dazu gehöre, dass ich nicht vollwertig bin, indem sie nicht mit mir gesprochen haben. Das ist kein schönes Gefühl für ein Kind. In der Volksschule konnte ich mich ja nicht richtig wehren, ich habe den Kummer in mich hinein gefressen.
Was hat Sie besonders geschmerzt?
Das waren auch Erlebnisse sehr viel später, am Anfang meiner ORF-Karriere. Damals hieß es von manchen Menschen, ob man für den Job keine Österreicherin gefunden habe ... oder „Du bist eh keine von uns“. Das ging mir sehr nah, mittlerweile lasse ich Derartiges nicht mehr an mich heran.
Die Ermordung von George Floyd in den USA hat das Thema Rassismus weltweit angeheizt.
Rassismus ist allgegenwärtig. Es darf jetzt nicht bei Demonstrationen bleiben. Wir müssen auf allen Kanälen, wie sozialen und klassischen Medien, dagegen vorgehen – mit Unterstützung der Gesellschaft und vor allem der Politik. Wir müssen Barrieren brechen, es muss in die Köpfe der Menschen hinein, dass wir alle gleich sind. Dafür muss sich die Einstellung ändern. Und jeder Mensch muss da bewusst mitmachen und gegen Rassismus ankämpfen, nur dann wird sich etwas zum Besseren verändern.
Sie haben sich trotz vieler Barrieren nach oben gekämpft. In Ihrem Buch erzählen Sie, dass Sie schon als kleines Mädchen Moderatorin werden wollten. Was war daran so faszinierend?
Wir sechs Kinder haben mit den Eltern immer „Zeit im Bild“ geschaut, danach kam das Wetter, das damals Carl Michael Belcredi präsentiert hat. Er hat mich fasziniert – wie er in seinen karierten Pullis über das Wetter, die Wolken und Hoch und Tiefs gesprochen hat. Das wollte ich auch machen. In unserer Souterrainwohnung gab es zudem einen kleinen Spiegel, der mich magisch angezogen hat, da habe ich immer reingesprochen.
" JEDER MENSCH MUSS GEGEN DEN ALLGEGENWÄRTIGEN RASSISMUS ANKÄMPFEN – MIT UNTERSTÜTZUNG DER POLITIK. NUR DANN WIRD SICH ETWAS ZUM BESSEREN ÄNDERN. "
- Eser Akbaba
Wie haben Ihre Freunde und Eltern reagiert, als Sie Ihren ORF-Job antraten?
Für mich ging ein Traum in Erfüllung, als ich 2009 bei einer Podiumsdiskussion für den ORF entdeckt wurde. Medial war das schon ein großes Thema, aber natürlich auch innerhalb der Familie.
Warum haben Sie es geschafft?
Ich bin ja nicht die Einzige, die Anfeindungen und Ausgrenzungen erlebt hat und dennoch einen Berufstraum verwirklicht hat. Aber ich bin eine derwenigen, die „sichtbar“ ist. Es gibt so viele andere Esers da draußen, Ärztinnen, Rechtsanwältinnen, Managerinnen. Aber man sieht sie nicht so wie mich jeden Tag im Fernsehen. Deshalb sage ich: Ich habe es geschafft, sichtbar zu sein. Ich habe es als Gastarbeiterkind geschafft, ORF-Moderatorin zu werden. Man kann es schaffen, wenn man wirklich will. Aber man muss sein Ziel ständig vor Augen haben und darauf hin arbeiten.
Was ist Ihnen in Ihrem Leben besonders gut bzw. weniger gut gelungen?
Ich habe in diesem Land etwas erreicht, von dem viele vielleicht noch träumen – oder vielleicht gar nicht einmal zu träumen wagen. Ich bin stolz darauf, denn es war schon ein steiniger Weg.
Was ist mir weniger gut gelungen? Naja, ich hab‘s nicht so mit der Männerwelt (lacht). Wobei, wer weiß? Was nicht ist, kann ja noch werden!
Gibt‘s berufliche Pläne?
Ich würde gern mal etwas anderes moderieren als das Wetter, gern im Infotainment-Bereich. Das Wetter begleitet mich seit elf Jahren, das sollte jetzt abgeschlossen werden. Ich sehe mich nicht nur beim Wetter. Ich hoffe, die anderen auch nicht (lacht).
Sie wirken immer fröhlich, optimistisch und gelassen. Was bringt Sie aus der Fassung?
Es fällt mir nicht schwer, ein fröhlicher Mensch zu sein, ich denke, mir geht’s gut, ich lebe in einem schönen, sicheren Land. Ich versuche immer das Positive zu sehen, aber natürlich bringen mich manche Situationen auf die Palme, da kommt dann mein südländisches Blut durch. In Anatolien kann man ordentlich streiten. Meine Familie kennt das. Unsere Gesprächskultur ist anders, ich rede gerne mit Händen und Füßen. Ich bin sehr temperamentvoll, obwohl ich mittlerweile schon viel gelassener bin.
Welches Land empfinden Sie als Heimat – Österreich oder die Türkei?
Ich habe schon als kleines Kind immer im Sommer einen Monat im Dorf bei den Großeltern oder auch in Istanbul verbracht. Natürlich fühle ich mich zu meinen Wurzeln stark hingezogen. Aber Heimat ist für mich Wien. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.